Literatur:"Ein krasser Fall der Machtausnutzung"

Brigitte Fassbaender bei der Verleihung des Opus Klassik 2018 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt Berl

Brigitte Fassbaender.

(Foto: Frederic Kern/Imago/Future Image)

Brigitte Fassbaender schreibt eine nüchtern-ehrliche Autobiografie und kritisiert darin Georg Solti sowie andere Klassik-Stars

Von Sabine Reithmaier

Brigitte Fassbaender war ein klein wenig angespannt. "Das ist eine Premiere für mich: die erste Lesung aus eigenem Buch", sagte sie, bevor sie aus ihren Memoiren im Richard-Strauss-Institut zu lesen begann. Dabei gab es nicht den leisesten Grund für Nervosität, im Publikum saßen nur Fans und Freunde, die sich freuten, die langjährige Leiterin des Garmisch-Partenkirchner Richard-Strauss-Festivals wieder im Ort zu sehen. Doch die berühmte Mezzosopranistin hatte - auch das erzählt sie im Buch ganz offen - zeitlebens mit Lampenfieber zu kämpfen.

Nur sieben Monate brauchte sie, um "Komm' aus dem Staunen nicht heraus" (Beck-Verlag), der Titel ist ein Zitat aus dem "Rosenkavalier", zu Papier zu bringen. Fassbaender legt Wert darauf, dass sie das Buch ganz allein geschrieben hat. "Das Wort war mir immer nah", sagt sie, auch wenn sie im Schreiben bisher "Kurzstreckenläuferin" gewesen sei. Doch ihr "Versuch" (Fassbaender) ist ihr gut gelungen. Unprätentiös und uneitel erzählt sie ihr Leben mit der ihr eigenen nüchternen Ehrlichkeit, auch wenn sie über das Erreichte zu Recht stolz ist.

Schließlich gehörte sie zu der "Handvoll Sänger, die sich überall auf der Welt in den Opernhäusern wiedertrafen; ob in Berlin, Hamburg, München, Wien, London, San Francisco, New York, Chicago, Paris, Mailand." Ausführlich setzt sie sich mit ihrer Kindheit und Jugend in Krieg- und Nachkriegszeit auseinander. Ihr Vater, der Bariton Willi Domgraf-Fassbaender, und die Mutter, die Schauspielerin Sabine Peters, leben bei ihrer Geburt 1939 in Berlin, wohlhabend und angesehen erst in einer Villa, dann in einer Zehnzimmerwohnung, arrangieren sich mit dem System. Die Mutter habe zeitlebens mit sich gehadert, dass es ihr nicht gelungen sei, den Vater, laut Fassbaender ein völlig unpolitischer Mensch, vom Eintritt in die NSDAP abzuhalten. "Warum er es nötig fand, mit den Wölfen zu heulen, wird mir ewig unerklärlich bleiben." Er selbst blieb der Tochter echte Erklärungen schuldig, machte nur vage Andeutungen.

An ihren ersten Auftritt auf der Bühne des Prinzregententheaters erinnert sie sich genau: "Ich war der Vierte Page in Wagners 'Lohengrin'." Am 1. April 1961 trat sie ihr Engagement an der Bayerischen Staatsoper an. Die Gage: 700 Mark brutto. Und Intendant Rudolf Hartmann gab dem "Kindchen" gleich nach dem ersten Vorsingen den Tipp, ein bisschen abzunehmen. Die Spezies Dirigent war ihr "überwiegend suspekt in ihrer diktatorischen Überheblichkeit, ihrer skrupellosen Machtausübung", doch arbeitete sie mit den meisten erfolgreich zusammen. Auch mit Georg Solti, den sie als einen "krassen Fall der Machtausnutzung" bezeichnet, der heute im Zeichen der "Me Too"-Bewegung kein leichtes Leben hätte. Bei Fassbaender liefen seine Avancen ins Leere, sie wollte sein übliches "Erhörungsgeschenk", ein weißes Pelzcape, nicht. "Er trug es mir nicht nach, sondern tröstete sich mit dem nächsten, willigeren Objekt."

Brigitte Fassbaender: Komm' aus dem Staunen nicht heraus, Sonntag, 24. November, 11 Uhr, Gärtnerplatztheater, Großer Saal

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