Literatur:Der verkaufte Großvater

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Einer der letzten seiner Art: Einen wie den Anderl Lechner findet man auch nicht mehr an jeder Ecke. (Foto: Barbara Braun/MuTphoto)

Andreas Lechner hat einen Roman über das Leben des Gewichthebers Josef Straßberger geschrieben und stellt ihn jetzt im Fraunhofer vor

Von Franz Kotteder

Originale, speziell Münchner Originale, sind ja recht selten geworden. Für die Nachgeborenen sei kurz erklärt: Es handelt sich dabei nicht um erfolgreiche Geschäftsleute, Models, Prominentenzahnärzte oder jene Sonnenbrillenträger, die auf der Terrasse des Tambosi herumsitzen. Münchner Originale sind eher so Menschen, die jede Menge Ideen mit sich herumtragen, deren Umsetzung sie begeistert verfolgen, von denen dann aber ungefähr die Hälfte nichts Rechtes wird. Was ein Original freilich kaum erschüttern kann.

Andreas Lechner, von allen eigentlich nur "Anderl" genannt, ist so ein Münchner Original. Lechner wurde bekannt mit der Volksmusikgruppe Guglhupfa, die zusammen mit der Biermösl Blosn die neue politische Volksmusik in Bayern begründeten. Er feierte einen frühen Erfolg mit einer Opernkomposition für die Münchener Biennale für neues Musiktheater, damals kuratiert vom Komponisten Hans Werner Henze, mit dem Titel "Der letzte Milkaner - ein Bauernrequiem". Später folgten Low-Budgetfilme wie "Hot Dogs" und "Schmetterlinge der Nacht", die er mit jugendlichen Laiendarstellern aus dem Hasenbergl drehte und mit denen er es zum Teil sogar bis zur Teilnahme an einem Underground-Wettbewerb zum Filmfestival von Cannes schaffte.

Der große Erfolg blieb ihm freilich bislang versagt, sein großes Filmprojekt "Strassbergers Gold" konnte er bislang nicht umsetzen, obwohl die Verwirklichung schon mehrmals kurz bevorstand. Es beschreibt die Geschichte seines Großvaters Josef Straßberger, der bei den Olympischen Spielen 1928 in Los Angeles die Goldmedaille im Gewichtheben gewann, als Sportler des TSV 1860 Deutscher Meister, Weltmeister und Weltrekordhalter war - und in München als Wirt und Hotelier ein Vermögen machte, bis die Nazis kamen.

Straßbergers Geschichte ist jedenfalls viel zu schillernd und bunt und typisch für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland, um nicht erzählt zu werden. Und so hat Anderl Lechner jetzt einen Roman daraus gemacht (Volk Verlag, 288 Seiten, 22 Euro). Eine sehr bewegende Geschichte ist das geworden, die vor dem Ersten Weltkrieg in Kolbermoor beginnt und bis zu Straßbergers großen sportlichen Erfolgen führt und mit seinem Tod in den Fünfzigerjahren endet. Im Stil erinnert sie an die großen Erzählungen und Romane von Lena Christ oder Josef Ruederers, auch "Andreas Vöst" von Ludwig Thoma könnte Pate gestanden haben. Oder, aktuelleres Beispiel, "Mittelreich" von Lechners Spezl, dem Schauspieler Josef Bierbichler. Der sagt launig über den Roman: "Viele verkaufen ihre ganze Familie auf dem Buchmarkt. Andreas Lechner verkauft nur seinen Großvater. Er ist ein schreibender Separatist." Und eben auch ein Original. Weil Lechner am Montag seinen 60. Geburtstag feiern kann, stellt er seinen Roman nun auch im Theater im Fraunhofer vor, am Sonntag und Montag zusammen mit seiner alten Gruppe, den Guglhupfa.

Andreas Lechner ; Theater im Fraunhofer, Fraunhoferstraße 9, Sonntag, 5. Mai, 11 Uhr (Matinee) und 20.30 Uhr, jeweils mit, weitere Vorstellungen am Montag und Dienstag, 6. und 7. Mai, 20.30 Uhr, Reservierung unter Telefon 26 78 50

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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