Emmanuel Carrère: Das Reich Gottes
Emmanuel Carrère erzählt in "Das Reich Gottes" vom frühen Christentum und seiner eigenen spirituellen Suche. In seiner Heimat Frankreich landete er damit einen Überraschungsbestseller. Carrère lockt seine Leser in diese ferne Zeit und fremde Gesinnungswelt, indem er mit seiner eigenen metaphysischen Sehnsucht und spirituellen Suche Anfang der Neunzigerjahre beginnt, einer Phase, in der er exerzitienartige Tagebücher führte, auf deren bigotten Ton er heute nur mit ironischem Befremden reagieren kann. Ausgehend von der Apostelgeschichte, dem Lukasevangelium und Ernest Renans "Das Leben Jesu", versucht Carrère dann, sich dem jungen Lukas an die Fersen zu heften, einem wortgewandten, griechischen Arzt, der hier zum Chronisten der Apostel wurde, weil ihn deren verrückte Lehre von der Umwertung aller Werte faszinierte. Die Schwachen werden die Starken, liebe deine Feinde.
Carrère schafft es, in diesem merkwürdigen Zwitter aus Roman, philosophischem Essay, historischer Abhandlung und persönlicher Bilanz das nie zuvor Gehörte der Evangelien so herauszupräparieren, dass man das ungläubige Staunen damaliger Paulus-Leser nachempfinden kann. Das könnte schnell nach Weihrauch riechen und nach Bekenntnisschwulst klingen, wäre da nicht dieser Humor, der immer wieder überraschend um die Ecke kommt.
Lesen Sie hier die vollständige Rezension von Alex Rühle.