Literatur:Das Ende der Wende

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Die Historikerin Kristina Spohr liest im Amerikahaus

Von Anna Weiss, München

Der Krieg in Syrien, das Erstarken des Rechtspopulismus' in Europa und die Tatsache, dass die Großmächte USA und Russland von zwei unberechenbaren Egozentrikern geführt werden - wenn sich politisch alles zu verändern scheint, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Gesellschaft regelmäßig Neuordnungen unterliegt. Kristina Spohr, die an der London School Of Economics als Professorin Internationale Geschichte lehrt, befasst sich in ihrem Buch "Wendezeit. Die Neuordnung der Welt nach 1989" mit den historischen Ereignissen einer Wende, die die Grundlage für die heutige politische Situation darstellt.

In dem fast 1000 Seiten dicken Werk untersucht und analysiert Spohr den Kalten Krieg und die Frage, welche Auswirkungen der Zerfall des politischen Systems hatte. Ihr erklärtes Ziel ist es, das Ende einer scheinbar stabilen Weltordnung zu durchleuchten und die Reorganisation eines politischen Systems nachzuvollziehen. Besonders werden dabei die von ihr so bezeichneten "Scharnierjahre" von 1989 bis 1992 betrachtet. Dabei bezieht sie viele politische Akteure mit ein. Einer der Schwerpunkte liegt neben der Sowjetunion, Deutschland und den USA auf der Volksrepublik China. Als Demonstranten weltweit auf die Straßen gingen, blieb der Protest in Ostdeutschland weitestgehend friedlich. In China wurden die Aufstände auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 brutal niedergeschlagen. In dem englischen Originaltitel "Post Wall, Post Square" schlägt sich dieser Fokus deutlicher nieder.

Kristina Spohr, halb Finnin, halb Deutsche, die im angelsächsischen Sprachraum lehrt und forscht, verwebt in ihrem Buch Fakten und Zitate mit Anekdoten, zum Beispiel die, wie Michail Gorbatschow in New York empfangen wird. Gorbatschow ist neben George Bush senior, François Mitterrand und Helmut Kohl eine der zentralen Figuren in dem Sachbuch, das sich stilistisch wie eine Mischung aus einer Dissertation und einem Geschichtsbuch liest. Neben den Parteien und Staatslenkern macht Spohr eine andere wichtige Gruppe aus, ohne die es die Wende nicht gegeben hätte: die Völker der Staaten, die durch ihre Proteste die Wende überhaupt erst anstießen. Auch einen Ausblick auf die heutige Politik gibt die Autorin, wenn sie in ihrem Epilog auf Donald Trump eingeht, der subtil als geltungssüchtiger Geschäftsmann eingeführt wird.

Kristina Spohr: Wendezeit , Dienstag, 5. November, 19 Uhr, Amerikahaus, Barer Str. 19a

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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