Literatur - Berlin:Juli Zeh warnt vor Sicherheit auf Kosten von Freiheit

Berlin
Schriftstellerin Juli Zeh warnt vor "rechtspopulistischen Stimmen" gegen Rechtsstaat. Foto: Soeren Stache/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Die Schriftstellerin Juli Zeh ("Unterleuten") hat erneut vor vermeintlich vollständiger Sicherheit auf Kosten freiheitlicher Rechte gewarnt. Sicherheit werde als Wert zunehmend absolut gesetzt und habe den Gegenpol Freiheit immer weiter verdrängt, schreibt die in Brandenburg lebende 45-Jährige in dem am Montag erschienenen Band "Fragen zu "Corpus Delicti"".

"Sicherheit bedeutet nicht, dass jede Form von Risiko eliminiert werden muss", schreibt Zeh in dem Buch, in dem sie sich selbst Fragen zu ihrem 2009 erschienenen Erfolg "Corpus Delicti" beantwortet. Mehr Sicherheit führe nicht dazu, "dass sich unsere Welt in irgendeiner Weise sicherer anfühlt". Im Gegenteil sei zu erleben, "dass demokratische Freiheiten aus "Sicherheitsgründen" eingeschränkt werden und die Ängste der Bevölkerung trotzdem (oder gerade deswegen?) weiter anwachsen".

In "Corpus Delicti" beschreibt Zeh ein diktatorisches System, das die Gesundheit seiner Bürger absolut setzt, dafür persönliche Freiheiten drastisch einschränkt und Verstöße drakonisch sanktioniert. Zuletzt hatte Zeh, die auch Verfassungsrichterin in Brandenburg ist, gemeinsam mit anderen Prominenten ein möglichst rasches Ende der coronabedingten Einschränkungen gefordert.

Demokratie setzt für Zeh das Gegenspiel verschiedener Meinungen voraus. "Das Ringen um den richtigen Weg ist kein Problem des demokratischen Systems, sondern sein Wesen", schreibt sie. Die Menschen könnten sich glücklich schätzen, in einer freiheitlichen Gesellschaft zu leben. Deshalb sei es wichtig, "diese Privilegien zu erkennen und zu verteidigen".

Deutlich wendet sich Zeh gegen "rechtspopulistische Stimmen" auf Kosten des Rechtsstaats. "Unser Rechtssystem ist eines der besten der Welt", schreibt die Autorin. "Immer mehr Bürger neigen dazu, ihre persönliche Unzufriedenheit für ein politisches oder gar rechtliches Problem zu halten." Gefalle etwas nicht, werde behauptet, das politische Personal sei unfähig oder der Rechtsstaat kaputt. "Dieses falsche Misstrauen vergiftet die Stimmung in ganz Europa und schlägt sich in den Wahlerfolgen rechtspopulistischer Parteien nieder."

Zugleich warnt die Schriftstellerin vor "rhetorischer Ausschlachtung von Bevölkerungsängsten", mit der sich einzelne Politiker profilierten, neue Sicherheitsgesetze durchgebracht oder "mediale Aufmerksamkeits-Hypes" generiert würden. "Das ist ein fahrlässiger Umgang mit der Öffentlichkeit, die sich nun zunehmend in ein Pulverfass verwandelt", schreibt Zeh.

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