Literatur - Berlin:Herta Müller: Exilmuseum ist Verpflichtung für Deutschland

Literatur - Berlin: Herta Müller (l-r), Literaturnobelpreisträgerin, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, und Andre Schmitz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Exilmuseum, gehen zur Eröffnung der "Werkstatt Exilmuseums". Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Herta Müller (l-r), Literaturnobelpreisträgerin, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, und Andre Schmitz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Exilmuseum, gehen zur Eröffnung der "Werkstatt Exilmuseums". Foto: Wolfgang Kumm/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hat öffentliche Verantwortung für das in Berlin geplante Exilmuseum eingefordert. "Es gibt eine Verpflichtung dieses Staates", sagte die Schriftstellerin ("Atemschaukel") am Donnerstag. Die 69-Jährige hat zusammen mit dem früheren Ex-Bundespräsident Joachim Gauck die Schirmherrschaft des Projekts übernommen.

Im Museum soll laut der Stiftung neben der Vermittlung des historischen Themas der Inhalt des Wortes "Exil" begreifbar gemacht sowie auf die aktuelle Relevanz des Themas verwiesen werden. Die Baukosten werden derzeit mit 60 Millionen Euro kalkuliert. Über Spenden und private Mittel sind bisher 20 Millionen zusammengekommen.

Müller verwies auf das öffentlich finanzierte Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft am Anhalter Bahnhof das Exilmuseum bis 2026 gebaut werden soll. "Die erste Vertreibung im Nationalsozialismus war aus Deutschland hinaus", sagte Müller. "Das sollte man nicht vergessen." Danach seien die Vertriebenen aus dem Osten aufgenommen worden. "Diese Menschen hatten eine Lobby, auch weil sie hier zusammen sind. Die Exil-Leute sind in der ganzen Welt verstreut", sagte Müller, die selbst wegen der Verfolgung durch das Ceausescu-Regime ihre Heimat in Rumänien verloren hat.

"Es gehört auch dazu, dass Deutschland zu seiner eigenen Vertreibung steht", so die Schriftstellerin. Das Wort Exil-Deutsch sei noch in den 50er Jahren als Schimpfwort benutzt worden. "Wenn es die erste Vertreibung aus Deutschland heraus nicht gegeben hätte, hätte es die zweite gar nicht geben müssen." Sie sehe dies als Gesamtheit.

Gauck sagte, er gehöre zu einer Generation, die vom Schweigen über das Exil geprägt sei. "Dadurch habe ich einen sehr persönlichen Zugang zu den Schicksalen der Weggegangenen."

Für die Stiftung zeigte sich der Vorsitzende André Schmitz zuversichtlich bei der Finanzierung bis 2026. "Wir werden nicht aufgeben, wenn es ein Jahr länger dauert, dann dauert es ein Jahr länger", sagte Schmitz. "Wir können das Büro und die Werkstatt noch viele, viele Jahre betreiben, bis die öffentliche Hand endlich begreift, dass sie hier eine öffentliche Aufgabe hat."

An diesem Wochenende eröffnet eine Werkstatt im früheren Käthe-Kollwitz-Museum, in der das Exilmuseum inhaltlich weiter vorbereitet werden soll. 

Am früheren Anhalter Bahnhof nahe dem Potsdamer Platz soll das Museum nach einem Entwurf des dänischen Büros Dorte Mandrup entstehen. Das Haus soll an rund 500.000 Menschen erinnern, die unter dem Druck der Nationalsozialisten Deutschland verlassen mussten. Viele kehrten auch nach dem Krieg nicht mehr zurück.

© dpa-infocom, dpa:230323-99-61747/2

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