Literatur:Auf du und du mit dem Haiku

pakleppa

Jedes der von Künstlern gestalteten Bücher ist für die Haiku-Dichterin Fabienne Pakleppa ein Geschenk.

(Foto: Parzinger)

Die Schriftstellerin Fabienne Pakleppa hat ein Künstlerbuch-Projekt und eine Ausstellung in der Seidlvilla angestoßen

Von Antje Weber

Manchmal scheint sich Fabienne Pakleppa ihres Tuns selbst nicht sicher gewesen zu sein. "all dieses chaos / in siebzehn silben pressen: / scheitern garantiert", heißt es in einem ihrer Haikus, in einem anderen: "innen das beben / auf ein haiku verdichten / dann nur noch schweigen". Doch von Scheitern kann keine Rede sein, und auch beim Schweigen ist es nicht geblieben. Aus ihrer Haiku-Sucht hat die Autorin im Gegenteil ein groß angelegtes Projekt gemacht, das nun seinen Abschluss findet: in "Haiku sucht", einer Ausstellung plus Programm in der Seidlvilla.

Haikus, aus der japanischen Tradition stammende Kürzestgedichte, in einer Ausstellung? Zur Erklärung muss man etwas ausholen. Muss anfangen mit Fabienne Pakleppa selbst, gebürtig in Genf und seit langem in München lebend. Pakleppa also beschloss vor sieben Jahren, fortan nur noch Haikus zu verfassen. Sie steckte in einer Krise; nach vielen Jahren des Schreibens von Erzählungen, Hörspielen, Romanen, Ghostwriter-Projekten. Die Haikus waren ihre Möglichkeit, in einer Phase des Rückzugs kreativ zu bleiben: "Das war für mich eine Zen-Übung", sagt sie.

Haikus definiert Pakleppa dabei für sich so: "Das, was du siehst und fühlst, knapp formulieren. Das holt dich ins Hier und Jetzt, darin erzählt man keine Geschichte." Der deutschen Haiku-Gesellschaft - in der Pakleppa im Zuge ihrer Sucht ebenfalls Mitglied geworden ist - würde das als Definition zwar vermutlich nicht genügen. Doch Pakleppa sieht sich nicht als Theoretikerin, für sie sind vor allem die im Deutschen üblichen 17 Silben als Rahmenbedingung wichtig, die auf drei Zeilen verteilt werden. Mit dem von Regelbewahrern geforderten Jahreszeiten-Bild zum Beispiel, das ebenfalls anklingen soll, nimmt es die Autorin nicht so genau. Um es mit einem ihrer Haikus zu sagen: "gefühle, ach ja / und etwas natur dazu / flüchtiges flattern".

Irgendwann waren immerhin 77 Haikus dahergeflattert, und Pakleppa überlegte, was damit anzufangen sei. Sie tat sich mit dem Gestalter Herbert Woyke zusammen, der die Gedichte in hübsche kleine Bücher druckte. Die Schriftstellerin Christine Wunnicke stieß noch dazu; die japanophile Autorin, deren eigenwilliger schmaler Roman "Der Fuchs und Dr. Shimamura" derzeit auf der Longlist des Deutschen Buchpreises steht, schrieb ein Nachwort, in dem sie befindet: "Dichte Gedichte: Sehr viel Leben auf sehr wenig Raum".

Die dichten Gedichte verschafften sich jedoch noch etwas mehr Freiraum: mit Pakleppas und Woykes Idee, die Titelblätter der Bücher mit künstlerischen Unikaten zu versehen. 120 Bücher in japanischer Bindung sind zusammengekommen, von unterschiedlichsten Künstlern gestaltet, die im Schneeballsystem immer zahlreicher wurden; obwohl bei diesem vom Kulturreferat und dem Bezirk Oberbayern unterstützten Projekt, man ahnt es, kein Geld zu verdienen ist. Bekanntere wie Klaus von Gaffron, Lucia Dellefant oder Augusta Laar sind ebenso dabei wie körperlich und geistig Behinderte oder Psychiatrie-Patienten. Die Künstler haben die unterschiedlichsten Zugänge gewählt: Während Laar das Cover kleinteilig zuklebte, nähte Racheli von Hofacker Bilder auf; Nadine Kessel fügte Scherenschnitte ein, und Paula Pongratz, sonst auf "postapokalytischen Schmuck" spezialisiert, reicherte ihr Exemplar mit Fundstücken wie kaputten Luftballons und Plastikblümchen an.

All diese Künstlerbücher werden nun vom 17. September an in der Seidlvilla gezeigt, begleitet von Konzerten, Performances, einer Haiku-Werkstatt und gar einem Abend "Jodeln und Singen aus dem Moment heraus". Am 29. November sollen die Bücher dann im Lustspielhaus zugunsten des Vereins Bellevue di Monaco versteigert werden. Ein "intensives Vernetzungsprojekt" also, wie Pakleppa sagt; der digitalen Welten etwas überdrüssig, genießt sie die vielen direkten Kontakte, die haptische Freude beim Auspacken der Buchsendungen: "Dieses Projekt ist ein einziges Geschenk für mich!"

Dabei ist es nicht das einzige Geschenk in diesem Jahr für die Autorin: Gerade erst hat sie ein mit 6000 Euro dotiertes Arbeitsstipendium der Stadt München zugesprochen bekommen. Das Geld wird ihr finanziellen Spielraum verschaffen, um nach dem Haiku-Projekt einen Roman über ihre wildbewegte Familiengeschichte fertigzustellen. Vom Hier und Jetzt also zurück in die Vergangenheit? Für Pakleppa kein Problem; die Haiku-Sucht hat sie überhaupt fürs Erste glücklich überwunden. Und wer weiß, was auch in der Zukunft noch so alles auf sie wartet? Schließlich lautet eines ihrer Haikus hoffnungsfroh: "hundert jahre alt / und noch sehr liebeshungrig / den mond verspeisen."

Haiku sucht, Do., 17. Sept. (Vernissage 19.30 Uhr), bis Fr., 25. Sept., Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, www.haikusucht.de

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