Literatur:Arbeit, Struktur

Das Zwischennutzungsprojekt 'SP CE' in der Alten Akademie am 24.01.2019 in München.

Viel leerer Raum zum Denken: Moritz Wiegand (links) und Lukas Kubina von Sorry Press auf ihrer Zuschauertribüne.

(Foto: Jan A. Staiger)

Im Austausch: Sorry Press und CPWH

Von Antje Weber

"Geistiger Mensch sein heißt eine Mission erfüllen", schrieb der Architekt Ludwig Hilberseimer vor fast 100 Jahren, und weiter: "Unsere Zeit ist ungeklärt, unruhevoll, zu neuer Gemeinschaftsgestaltung drängend." Allein schon diese Sätze drängen offensichtlich zu neuer Gemeinschaftsgestaltung. Lesen konnte man sie zuletzt im Raum 417; hier hingen auf einer aus Regalbrettern improvisierten Pinnwand lauter Kopien von Texten des einstigen Bauhaus-Stadtplaners. Könnte man die, so eine Idee der Duos Sorry Press und CPWH, nicht wieder veröffentlichen? "Die Form ist noch nicht klar", sagt Winston Hampel, doch auf alle Fälle sei es ein "Herzensprojekt", wie Caroline Perret ergänzt. Und für die Form sorgen demnächst ja vielleicht Lukas Kubina und Moritz Wiegand von Sorry Press - es wäre ein schöner Akt von Gemeinschaftsgestaltung nach fünfmonatiger Zusammenarbeit.

Gearbeitet wurde in Raum 417 offensichtlich wirklich jede Menge. In dem bewusst nüchtern gehaltenen Büro klappten die Mieter in der Regel morgens um 9 Uhr ihre Laptops an zwei Tischen auf und trieben ihre Projekte voran. Die Produktdesignerin Caroline Perret und der Architekt Winston Hampel, zusammen CPWH, dachten vor allem über eine Bühnenlandschaft im tschechischen Ostrava nach, die sie mit dem Londoner Künstler Than Hussein Clark entwarfen und umsetzten - "ein schönes Projekt", sagt Hampel, "komplett hier entstanden". Der Autor Lukas Kubina von Sorry Press wiederum arbeitete an lit-cities.com, einem digitalen Literaturatlas, der Bücher vorstellt, nach deren Lektüre man Städte rund um die Welt besser versteht. Zusammen mit Wiegand entsteht gerade außerdem online ein "Sorry Report" auf Englisch; das Thema: "Ignorance".

An solch globalen Projekten und manchen mehr arbeiteten sie zwar nicht zusammen, doch es gab und gibt "viele Überschneidungen auf verschiedenen Ebenen", wie Perret sagt. Überhaupt haben die vier viel miteinander geredet, und nebenbei auch mit ukrainischen Magazin-Machern, die sie für ein paar Tage eingeladen hatten. "Der Austausch war befruchtend", sagt Kubina; auch der mit dem Publikum, das an den Tagen der offenen Tür vorbeischaute. Drei Events haben die vier dafür organisiert: nach einer ersten "Lesung ohne Autor" als Experiment eine "Lesung aus dem Schrank" - mit einer Computerstimme. Zuletzt luden sie Mitte Mai den eigenwilligen Berliner Buchhändler Siddhartha Lokanandi ein, der Bücher aus seinem "Hopscotch Reading Room" mitbrachte und vorstellte.

Das "Grundrauschen" sei jedoch "normaler Büroalltag" gewesen, sagt Kubina. Das habe gut funktioniert, sagen auch Perret und Hampel. Fünf Monate seien allerdings eine kurze Zeit. Und auch wenn ihnen das vorher bewusst und für einen Start in die Selbständigkeit in Ordnung gewesen sei, so suchen sie jetzt doch ein festes - und abschließbares - Büro, wenn möglich sogar für alle zusammen. Die Zeit für einen nächsten Aufbruch scheint reif, und so ungeklärt und unruhevoll manches auch noch sein mag: Alles drängt weiterhin zur Gemeinschaft.

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