Literatur:"Amerikas Gewissen" ist tot

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Die Autorin Susan Sontag ist im Alter von 71 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Sie gehörte zu den führenden linksliberalen Intellektuellen und zu den schärfsten Kritikern der Bush-Regierung.

Das New Yorker Krankenhaus mit, in dem sie behandelt wurde, bestätigte, dass die Schriftstellerin am Dienstag verstorben ist.

Susan Sontag (16. Januar 1933 - 28.12.2004) (Foto: Foto: ddp)

Sontag gehörte zu den führenden linksliberalen Intellektuellen der USA und galt als "moralisches Gewissen Amerikas". Sie wurde unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Sontag hatte bei der Verleihung des Friedenspreises im Oktober 2003 in Frankfurt/Main das "imperiale Programm" von US-Präsident George W. Bush scharf kritisiert.

In der Laudatio hieß es, sie sei "in einer Welt der gefälschten Bilder und verstümmelten Wahrheiten für die Würde des freien Denkens eingetreten". Dabei sei sie zur prominentesten intellektuellen Botschafterin zwischen den USA und Europa geworden.

Mit Betroffenheit hat Deutschlands Kulturstaatsministerin Christina Weiss auf den Tod der amerikanischen Schriftstellerin reagiert. "Mit ihren leidenschaftlichen Appellen an Vernunft und Verantwortung der Politik wurde sie zum öffentlichen Gewissen der Vereinigten Staaten", sagte Weiss.

Sontags vernünftige Forderung nach einer kultivierten Sinnlichkeit unserer Wahrnehmung habe der Kunst- und Literaturkritik vor Jahrzehnten eine neue Richtung gewiesen. "Ihre Stimme wird fehlen."

Sontag schrieb viele literaturwissenschaftliche und politische Essays und mehrere Romane. Ihr 2002 erschienener Roman "In Amerika" erhielt den Nationalen Book Award der USA.

Danach brachte sie den Band "Das Leiden anderer betrachten" über die Wirkung von Kriegsfotografien auf das Bewusstsein und Denken der Menschen heraus. Zu den auf Deutsch erschienenen Werken gehören die Romane "Der Wohltäter" und "Todestation" sowie der Erzählband "Ich, etc".

Amerikas Liberale verehrten die scharfsinnige Autorin für den Mut, Missstände im eigenen Land anzuprangern.

Den Rechten dagegen war Sontag schon zur Zeit des Vietnamkrieges ein Dorn im Auge. Sontag forderte, den Terrorismus nicht nur militärisch zu bekämpfen, sondern seine politischen und wirtschaftlichen Ursachen zu erkennen und zu überwinden.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stand sie im Zentrum der amerikanischen Kritik, weil sie die Kommentierung der Attentate als eine Kampagne von Politikern und Medien bezeichnete, die das Ziel habe, die Öffentlichkeit zu verdummen. In Interviews machte sie sich Gedanken über die Opfer der Vergeltungspolitik.

Sontag wurde 1933 als Kind einer gutbürgerlichen jüdischen Familie in New York City geboren. Die Eltern lebten zeitweise in China, wo der Vater einen Pelzhandel betrieb.

Susan blieb mit ihrer jüngeren Schwester bei Verwandten in New York. Nach dem frühen Tod des Vaters - er starb, als Susan sechs Jahre alt war - heiratete die Mutter ein zweites Mal und zog mit ihrem Mann zunächst nach Tucson in Arizona und später nach Los Angeles.

Wegen ihrer frühen literarischen Ambitionen wurde Sontag im Alter von 14 Jahren einmal zum Tee bei Thomas Mann eingeladen. Neben dem Schreiben arbeitete sie zunächst im Alter von 26 Jahren als Mitherausgeberin der Zeitschrift "Commentary". In den 60er Jahren hielt sie Vorlesungen in Englisch und Philosophie. 1963 veröffentlichte sie mit "The Benefactor" ("Der Wohltäter") ihren ersten Roman.

Von ihren Werken sind des Weiteren auf Deutsch erschienen: die Essaysammlungen "Kunst und Antikunst" und "Über Fotografie" sowie die Romane "In Amerika" und "Der Liebhaber des Vulkans".

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