Liselotte Pulver:Die deutschsprachige Antwort auf Audrey Hepburn

Liselotte Pulver: Liselotte Pulver im Film "Die Zürcher Verlobung" aus dem Jahr 1957

Liselotte Pulver im Film "Die Zürcher Verlobung" aus dem Jahr 1957

(Foto: imago stock&people)
  • Liselotte Pulver wurde von den Deutschen gerne auf eine biedere Fräuleinfantasie reduziert - trotz ihrer Erfolge in Theaterhochkultur und Hollywoodkino.
  • Jetzt feiert die Schauspielerin aus der Schweiz ihren 90. Geburtstag.

Von Bernd Graff

Wenn man ein Weltstar des internationalen Kinos und der Bühnen ist und wenn dieser Weltstar einen bedeutenden Geburtstag begeht, dann will er oder sie in einer sogenannten Gala im Deutschen Fernsehen nicht unbedingt als das "wahre Wunder von Bern" eingeführt werden. Nur, weil dort mal eine deutsche Fußballnationalmannschaft eine Weltmeisterschaft gewann und der Weltstar ebendort geboren wurde. Dieser Weltstar, den man hierzulande nur "die Lilo" nennt und immer nannte, ertrug auch die "Gala" zu ihrem 75. Geburtstag im Jahr 2004 wie so vieles in ihrem Leben tapfer. Liselotte Pulver, eben diese "Lilo", überlächelte den grundlos fröhlichen Moderator wie den ungelenken Samson aus der Sesamstraße, jenen Haargiganten, mit dem sie ab 1978 dort auftrat.

Sie ist der Deutschen liebste Fräuleinfantasie gewesen, alterslos, burschikos und nahbar. Daran konnten auch unzählige Erfolge in den ernsten Fächern der Theaterhochkultur und im Hollywoodkino nichts ändern. Nicht die Remarque-Verfilmung von "Zeit zu leben und Zeit zu sterben" aus dem Jahr 1958. Auch nicht Helmut Käutners Dreieckskomödie "Die Zürcher Verlobung" von 1957 oder, noch im selben Jahr, die Kurt-Hoffmann-Verfilmung von Thomas Manns "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull". Ganz gleich, ob sie 1966 im Film "Die Nonne" von Jacques Rivette als Äbtissin, zuvor als Schriftstellerin oder als Kokotte auftrat, die Nachkriegsdeutschen wollten seit den beschwipsten Wirtschaftswunderjahren in der irgendwann auf Hosenrollen abonnierten Schweizer Schauspielerin immer nur die kokette Komödiantin, die unbeschwerte Frohnatur, die kieksige Nudel und deutschsprachige Antwort auf die rehäugige Audrey Hepburn sehen.

Man sagte, sie stehe mit den erfolgreichsten Kollegen ihrer Zeit vor der Kamera, dabei standen diese Kollegen im Schatten einer der erfolgreichsten Frauen des gesamten Showbiz. Doch man fixierte sie auf Lustspielgegluckse, auf eine "Piroschka" eben, "immer jung und süß und 17 Jahre", wie es im Film von 1955 heißt, oder wie in "Kohlhiesels Töchter" auf die Inkarnation einer postpubertären Pippi Langstrumpf.

Der biedere Deutsche reduzierte sie auf die hüpfende Püppchenfrau

Gerade weil von Liselotte Pulver immer laszive Frische, unfassbare Sinnlichkeit und Sexappeal ausgingen, reduzierte der biedere Deutsche die spektakuläre Weltläufigkeit und sprachlos machende Attraktivität von Liselotte Pulver auf die hüpfende Püppchenfrau, auf ein sexsauberes, schier geschlechtsloses Luftwesen, auf jenes falsche Bild also, das man sich auch von der nur etwas älteren Doris Day gemacht hatte, in "Lilos" Version aber nicht als Hausfrau, sondern als androgyner "Wanderbursche" in einem "Wirtshaus im Spessart" (1958) oder als "Gustav Adolfs Page" (1960) neben dem Testosteronteutonen Curd Jürgens. Welch eine Verkennung! Noch als wasserstoffblonde Sexbombe, die 1961 über die Tische tanzt, in Billy Wilders "Eins, zwei, drei", wurde sie sofort wieder zur gehorsamen "Ingeborg", deren frivolem Spuk man mit "Zieh deine Schuhe wieder an" ein Ende bereiten konnte.

Doch wie Liselotte Pulver in ihrem gerade bei Hoffmann und Campe erschienenen Archivband: "Was vergeht, ist nicht verloren" (232 Seiten, 100 Abbildungen, 24 Euro) ausführt: Ihre Schauspielkunst verdankte sich immer einer konzentrierten, harten, auch körperlichen Arbeit am Stoff und an sich selber. Liselotte Pulver, die mit Jean Gabin, Philippe Noiret, James Cagney und Bob Hope spielte, um nur einige zu nennen, und die nun 90 Jahre alt wird, sagt in diesem Band: "Ich habe alles gehabt und ich habe alles erlebt. Alles hat seine Zeit." Ihre Zeit ist heute und mehr denn je: jetzt.

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