Süddeutsche Zeitung

Streit um Lisa Eckhart:Sprengstoff

Das Hamburger Harbourfront-Literaturfestival sagt eine Lesung der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart ab - auch aus Sicherheitsgründen.

Von Jakob Biazza

Wer sich fragt, ob man in Hamburg gerade wieder einen Kulturkampf erlebt, kann auf die Reaktionen schauen, die es gab, seit das Harbourfront-Literaturfestival die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart ausgeladen hat: "Linke Zensurwächter geben weiterhin in unserer Stadt den Ton an", sagte etwa Alexander Wolf, Fraktionsvorsitzender der AfD in der Bürgerschaft. Unterstützung von rechts außen also.

Ähnlich laut spricht die Begründung, mit der die Lesung Eckharts am 14. September abgesagt worden war: Sicherheitsbedenken. "Es ist unseres Erachtens sinnlos, eine Veranstaltung anzusetzen, bei der klar ist, dass sie gesprengt werden wird", zitiert der Spiegel aus einer Mail des Veranstaltungsortes "Nochtspeicher" an die Leitung des Festivals. Offenbar rechnet man in Hamburg mit linken Übergriffen. Eckhart wird vorgeworfen, rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen.

"Geschmacklos und kritikwürdig"

Ein Lagerkampf also, der sich an einer Künstlerin entzündet, die solche Reaktionen in ihren Programmen zumindest mit einkalkuliert. Als Bühnenfigur, eine Art Versace-beschürzte Überfrau, ist sie in ihren guten Momenten eine recht agile Feindin alles Wohlfeilen, aller Automatismen, die die Menschen zwischen Veganismus, Klimapathos und Gleichstellungseifer gerade so ausstellen. In ihren schlechteren Momenten kippt das inzwischen manchmal in recht dunkle Graubereiche, die unter anderem der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, in der Jüdischen Allgemeinen als "geschmacklos und kritikwürdig" bezeichnete. Einige jüdische Organisationen schlossen sich dieser Kritik an.

Wie so oft bei Lagerkämpfen gibt es auch hier wohl keine Gewinner: Eckhart hätte aus ihrem Debütroman gelesen, und wollte die Linke eine Aufmerksamkeit für dieses Werk verhindern, ist das eindeutig schiefgegangen. Die Debatte dürfte zahlreiche Rezensionen nach sich ziehen, die es sonst nicht gegeben hätte. Nach allem, was man so hört, dürften die allerdings wiederum kaum so ausfallen, dass sie die Verkaufszahlen deutlich fördern.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2020 / biaz
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