Liedermacher:Eher abgründig

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Sebastian Krämer gastiert im Fraunhofer

Von Oliver Hochkeppel, München

In seiner Wahlheimat Berlin, aber auch in anderen Gegenden wie der Schweiz, in denen man das aus dem üblichen Rahmen Fallende zu schätzen weiß, hat Sebastian Krämer bereits eine große Fangemeinde. Ansonsten und auch in München ist er immer noch ein Geheimtipp, der sich jedes Mal aufs Neue sein Publikum erspielen muss.

Das liegt zuvorderst daran, dass Krämers Kunst sich den gängigen Schubladen entzieht. Kabarettist würde er sich nie nennen, Comedian erst recht nicht. Er ist ein Chansonnier im komischen Fach, schlimmer noch, ein Vertreter der Hochkomik. Und selbst in dieser Nische ist er ein Unikum, nicht zeitkritisch wie ein Thomas Pigor, keine absurde Kunstfigur wie Rainald Grebe, kein zwanghafter Reimeschmied wie Bodo Wartke. Krämer sieht sich in der Liedermacher-Tradition eines Christof Stählin, dessen "Sago-Akademie für Poesie und Musik" er auch besucht hat.

Da hat er vor allem gelernt, dass ein Liedermacher sich vor zu viel Selbstinszenierung hüten und nicht jedes Lied Ausdruck des Innersten sein muss. So kommt es zu der enormen thematischen wie stilistischen Bandbreite seiner Lieder und zu den oft eher abseitigen, abgründigen Themen, die sich ihren Weg gewissermaßen selbst gesucht haben. Eine im Garten vergessenen Puppe zum Beispiel erzeugt dezenten Grusel, höchste Frivolität ergibt sich aus "Erlaubter Liebe". "Patricks Zimmer" entpuppt sich als das Mausoleum eines nie ausgesprochenen Dramas. Dann wieder erklingt die ausholende, sich im historisierenden Gewand windende Moritat vom Drachentöter, gibt es schön alberne Miniaturen ("Da fehlt noch Salz"), einen (autobiografischen) Deutschaufsatz, der sich zur ironischen Anklage gegen den Deutschunterricht entwickelt oder Versponnen-Poetisches über eine Barlach-Figur.

Nie ist es zu eindeutig, oft gewinnt mitten im Stück mal die Musik, mal der Text, mal ein Exkurs die Oberhand. Mitunter erahnt man da, dass Krämer als Großmeister des frühen, ambitionierten Poetry Slams angefangen hat. Seit 25 Jahren macht er das jetzt schon, zum Bühnenjubiläum hat er seine "Vergnügten Elegien" - ein von ihm erfundenes Genre - mit dem Metropolis Orchester Berlin im ganz großen Rahmen auf der Doppel-CD "Im Glanz der Vergänglichkeit" eingespielt.

Genauso schön aber ist es, wenn der Mann mit dem komplett verdrehten Krawattenknoten sie im Fraunhofer ganz allein vorträgt.

Sebastian Krämer , Donnerstag, 6. Juni, 20.30 Uhr, Fraunhofer, Fraunhoferstraße 9

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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