Süddeutsche Zeitung

Liederabend:Heiteres Glück

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Liederabend mit Diana Damrau und Jonas Kaufmann

Von Egbert Tholl, München

Selten hört man Hugo Wolfs "Italienisches Liederbuch" in Gänze, hin und wieder tauchen ein paar der 46 kleinen, feinen Stücke in gemischten Liederabenden auf. Und ganz, ganz selten hört man den Zyklus in einer solchen Opulenz der Qualität. Diana Damrau singt, Jonas Kaufmann singt, und Helmut Deutsch begleitet beide am Klavier. Mehr braucht es nicht, um 2500 Menschen in die Münchner Philharmonie zu locken; die ist ausverkauft, und auf der Bühne sitzen auch noch circa 150 Zuhörer. Dieser Abend ist somit auch eine veritable Umsatzmaschine, aber egal, er macht glücklich, auch wenn in der Pause einige Besucher das Weite suchen, wahrscheinlich weil ihnen bewusst wurde, dass sie heute "Nessun dorma" nicht mehr hören werden und auch nicht die Arie der Königin der Nacht.

Solches vermisst man überhaupt nicht. Man spürt von Beginn an, wie ernst die drei Künstler auf der Bühne dieses Konzert nehmen. Sie müssen lange daran gearbeitet haben, fanden eine gänzlich neue Reihenfolge dieser Lieder für Tenor und Sopran, und nun können sie damit Theater machen. Im fast steten Wechsel formen Damrau und Kaufmann die Abfolge der Lieder zu einem echten Dialog, der erst einmal abstrakt beginnt, wobei "abstrakt" bei den von der Freude an der Menschlichkeit beseelten Liedern völlig in eine falsche Richtung weist. Hugo Wolf gelingt es, in den Vertonungen der von Paul Heyse übersetzten, italienischen Liebesgedichte, ganz schlicht und einfach zu tun und doch sehr kompliziert zu sein. So werden in ihren Feinheiten genau und vielschichtig gebaute Kunstwerke geschaffen. Damrau und Kaufmann tun dann aber bis auf die ganz wenigen Spitzentöne von opernhaftem Glanz so, als sei es das Einfachste von der Welt, das Liederbuch zu singen.

Da ist von Anfang an viel Witz drin. Zunächst also gibt es eine sehr pointierte Gegenüberstellung der Unterschiedlichkeit zu lieben. Damrau singt von Perlen, dem Grün ihres Kleids - sie trägt zu diesen Zeitpunkt eine grüne Stola zur schwarzen Robe mit Radieschen. Oder Kirschen. Kaufmann antwortet mit Paradies und Welt, mit den Domen von Siena und Orvieto, um den Liebreiz der Angebeteten zu beschreiben. Der Galan im Frack knallt halt leicht durch, wenn ihm die Liebe kommt; das ist sehr lustig, und Kaufmann hat halt auch die nötige dunkle Wucht in der Stimme, um die Übersteigerung des Gefühls rüberzubringen. Damrau ist dagegen reine Délicatesse, ganz, ganz zauberhaft leicht und doch geerdet wie ein Bauernmädchen aus der Toskana.

Nachdem die Wesensunterschiede der Geschlechter geklärt sind, kommt es zu einem echten Zank, zu Streit und Eifersucht, passgenau ist die Reihenfolge der Lieder zusammengestellt, Damrau und Kaufmann spielen Komödie, als wäre man bei Goldoni. Im Hintergrund macht Helmut Deutsch mit, vermeidet es aber, sich je in den Vordergrund zu spielen. Er begleitet nobel, tritt ein einziges Mal bewusst hervor, beim Lied "Wie lange schon", und hoppelt das Nachspiel als feines Späßchen dem Gesang hinterher.

Es gibt auch Schweres, ein bisschen Trauriges. Jonas Kaufmann geht einmal an eine Grenze: "Sterb' ich, so hüllt in Blumen meine Glieder" ist eine ungeheure Meisterleistung kontrollierten Ausdrucks an der Grenze der Hörbarkeit. Fabelhaft, aber wohl wegen der Akustik nicht für alle im Saal. Dann endet es leuchtend schön, mit Damraus höchstem Ton, einem Lichtstrahl für den Heimweg.

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Quelle:
SZ vom 06.02.2018
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