Lieder gegen den Kapitalismus (Teil II):Subversion in Songs

Kapitalismus Musik

Von Johnny Cash bis zur neuen britischen "Working Class": der zweite Teil der SZ-Kompilation antikapitalistischer Songs.

(Foto: Collage SZ.de)

Adorno glaubte, Popmusik sei als Protest wirkungslos. Aber er kannte ja auch noch nicht "Rage against the machine" oder "Peter Licht". Teil zwei der SZ-Auswahl antikapitalistischer Songs.

Die Hochphase des Punk begann 1976 und damit - als Reaktion auf den zu unpolitischen Rock und die zu esoterischen Hippies - auch eine Hochphase des Protestsongs, der mit sich expliziten Texten gegen das herrschende System wandte.

Zwar war die ursprüngliche Punk-Bewegung drei Jahre später wieder tot, in Großbritannien herrschten dennoch hervorragende Bedingungen für das Aufkommen einer alternativen Protestkultur. 1979 war die konservative Magaret Thatcher an die Macht gekommen. Sie kämpfte gegen die Gewerkschaften, kürzte die Sozialleistungen und sagte Sätze wie "So etwas wie die Gesellschaft gibt es nicht, es gibt nur Individuen". Eine ganze Generation von Musikern hat sich an der Eisenen Lady abgearbeitet - vielleicht ein Grund, warum viele Anti-Kapitalismus-Songs aus unserer Liste von britischen Künstlern stammen.

"Schneller, höher, weiter: Macht uns der Kapitalismus kaputt?" - Diese Frage hat unsere Leser in der neunten Runde des Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Dieser Beitrag ist Teil eines umfangreichen Dossiers, mit dem die Süddeutsche Zeitung diese Frage der Leser beantworten will - mit einer digitalen Reportage zum Thema Ungleichheit in Deutschland, mit Essays zu Verwerfungen und Vorteilen eines umstrittenen Systems und vielem mehr. Alles zur aktuellen Recherche lesen Sie hier, alles zum Projekt hier.

In den USA, wo das Klassenbewusstsein weniger ausgeprägt war, sind die Themen der Protestsongs vielfältiger. Gang-Kriminalität und Drogenexzesse im New York der Achtziger, die Trostlosigkeit der arbeitenden Bevölkerung im Kleinstadt-Amerika, die Manipulation durch wirtschaftshörige Medien oder - bis heute hochaktuell - die gewalttätige Polizei, die Minderheiten unterdrückt.

Hier also der zweite Teil der - wohlgemerkt subjektiven und nicht repräsentativen - Zusammenstellung antikapitalistischen Liedguts, ausgesucht von SZ-Autoren.

Johnny Cash - One Piece At A Time (1976)

Einer der anarchischsten antikapitalistischen Songs kam 1976 von Johnny Cash. Der Country-Song erzählt die Geschichte eines Mannes, der 1949 von Kentucky nach Detroit zieht, um in den boomenden Autofabriken anzuheuern. Er findet einen Job bei General Motors, für die er Cadillacs zusammenschraubt.

Schnell merkt er, dass er sich als Arbeiter dieses ultimative amerikanische Luxusauto nie leisten kann. Also beschließt er mit einem Kollegen, die Teile für einen Cadillac aus der Fabrik zu schmuggeln und sich selbst einen zu bauen. Weil das aber 24 Jahre lang dauert, enden sie mit einem Bastard, bestehend aus Teilen von 24 verschiedenen Cadillac-Modellen.

Als der Songs herauskam, galt er erstmal als Witz. Cash landete damit aber auf Platz eins der Country Charts. Und der bittere Kern vom unerreichbaren amerikanischen Traum von Wohlstand und Reichtum funktioniert bis heute. Selbst für Johnny Cash war das eine ungewöhnliche Botschaft. Er hatte sich zwar immer für die Unterdrückten und die Außenseiter der Gesellschaft eingesetzt, hatte legendäre Konzerte in Gefängnissen gegeben und sich für die amerikanischen Ureinwohner engagiert. Doch den Glauben an den Kapitalismus hatten die Protestbewegungen der Sechziger- und Siebzigerjahre nie ganz aufgegeben. Schon gar nicht im Country.

Andrian Kreye

The Clash - Career Opportunities (1977)

STRUMMER, HEADON, SIMONON, JONES

The Clash, gegründet 1976 in den Anfängen des Punk, waren eine der einflusreichsten Bands jener Tage. Das vermutlich Ende der Siebziger oder Anfang der Achtziger aufgenommenen Bild des Fotografen Bob Gruen zeigt die Gruppe in der damaligen Besetzung (v.l.): Joe Strummer, Topper Headon, Paul Simonon und Mick Jones.

(Foto: AP)

Der Song ist nicht einmal zwei Minuten lang, doch mit "Career Opportunities" fanden The Clash den richtigen Ton für eine Generation, die keine Zukunft im britischen Kapitalismus sah: den der kalten Wut.

Joe Strummer zählt in dem Song vor allem die Jobs auf, die einem Berufsanfänger damals blieben - Busfahrer, Schaffner, Soldat, Bürobote. "Ich habe keine Lust, Briefbomben für euch zu öffnen", singt er da an einer Stelle. Eine Anspielung auf einen Job, den Gitarrist Mick Jones einst in einem Büro der Regierung hatte. Dort musste er die Post hochgestellter Beamter öffnen, um sicherzugehen, dass keine Briefbomben darin versteckt waren.

Andrian Kreye

Grandmaster Flash & The Furious Five - The Message (1982)

GRANDMASTER FLASH RECIEVES PIONEER AWARD

Grandmaster Flash erhält den Pioneer Award 1999 in Hollywood.

(Foto: REUTERS)

Als dieser Song 1982 erschien, galt HipHop noch als Animier-Musik, mit Händeklatschen, Trillerpfeifen und Mitsing-Refrains. Tatsächlich sträubte sich Grandmaster Flash erst einmal gegen die Nummer. Zuviel Sozialkritik. Zu wenig Party. Die Plattenfirma veröffentlichte das Stück trotzdem. Eine zukunftsweisende Entscheidung, denn die von Rapper Melle Mel geschriebenen Verse machten HipHop erstmals zum Sprachrohr der wütenden und vernachlässigten inner city kids - und lieferten die Blaupause für spätere Superstars wie Run DMC, Public Enemy oder NWA.

Die Lyrics zeigen das New York der frühen Achtziger Jahre als trostlosen Dschungel: Drogenmissbrauch, häusliche Gewalt, Armut und Gang-Kriminalität prägen die schwarzen Viertel, in denen HipHop entstand. Diejenigen, denen das System ansonsten kaum Chancen bietet, haben nur noch das gerappte Wort als Waffe (und als Möglichkeit, vom Kapitalismus zu profitieren):

"Bill collectors they ring my phone / And scare my wife when I'm not home / Got a bum education, double-digit inflation / Can't take the train to the job, / there's a strike at the station"

Jonathan Fischer

Bruce Springsteen - Glory Days und My Hometown (1984)

Bruce Springsteen, 1999

Bruce Springsteen, mit vollem Einsatz 1999

(Foto: DPA-SZ)

Ein Revolutionär war Bruce Springsteen nie, auch nicht in jenen Zeiten, als er noch durch die Clubs in New Jersey tingelte. Aber er war (und ist bis heute) stets bereit, die Sache der kleinen Leute zu verfechten, die von denen da oben geschurigelt, kujoniert und ausgebeutet werden. Dabei macht Springsteen nur selten konkrete Vorwürfe, wie er es etwa in seinem Song "Glory Days" tut, erschienen auf der LP "Born in the USA (1984). Da heißt es, der Vater habe in der Ford-Fabrik von Metuchen/N.J. gearbeitet, dann aber habe man ihn rausgeschmissen: "my old man worked 20 years on the line / and they let him go / now everywhere he goes out looking for work / they just tell him that he's too old".

Dieses anonyme, bedrohliche "they" ist es, gegen das Springsteen, der selbststilisierte Rocker der Arbeiterklasse, oft und leidenschaftlich ansingt. In "My Hometown", (ebenfalls 1984) sind es "die", die die Textilfabrik zumachen, so dass die Heimatstadt wirtschaftlich kaputt geht: "they're closing down the textile mill across the railroad tracks / foreman says these jobs are going boys and they ain't coming back".

Viele Springsteen-Songs widmen sich dem Schicksal der, um Marianne Faithful zu paraphrasieren, working class heroes. Dabei nimmt Springsteen das System als gegeben hin; er ist keiner, der fordert, kaputt zu machen, was einen kaputt macht. Manchmal hat er zwar individuelle Gewaltfantasien, in denen seine Protagonisten mit dem Schrotgewehr auf "die" losgehen wollen. Meistens aber beginnt Springsteen da, wo die Menschen schon an der Schwelle zum Kaputtsein stehen. Er beschreibt manchmal sehr eindringlich, wie Perspektivlosigkeit und drohende Armut die Menschen verändern und bedrängen.

"The River" (1980) zum Beispiel ist eine großartige Ballade über einen jungen Kerl, der seine Freundin mit 19 schwängert und dann das tut, was junge Kerle in Kleinstadt-Amerika damals so taten: "and for my 19th birthday I got a union card and a wedding coat", er ist in die Gewerkschaft eingetreten und hat geheiratet. Dann aber hat er bei seiner Johnston-Baufirma kaum mehr Arbeit "on account of the economy", und alles was einst wichtig erschien, löste sich in Luft auf: "now all the things that seemed so important / well Mister, they vanished in the air" - auch seine Ehe mit Mary. Er ist fertig und fragt sich, wann ein Traum zur Lüge wird: "is a dream a lie if it don't come true?"

Kurt Kister

Rage against the machine - RATM (1992)

RAGE AGAINST THE MACHINE PROTEST CONVENTION

"Rage against the machine" (hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2000) schufen ein neues Genre und beeinflussten eine ganze Generation.

(Foto: REUTERS)

Schon der Name war Verheißung: "Rage against the machine", Wut gegen die Maschine, gegen das System, gegen den Schweinekapitalismus, der unliebsame Minderheiten gnadenlos unterdrückt und Andersdenkende im Geist der herrschen Ideologie manipuliert. Das gefiel Anfang der Neunzigerjahre auch südwestdeutschen Kleinstadtpunks oder solchen, die sich dafür hielten, selbst wenn das Schulenglisch nicht ausreichte, um alle Botschaften zu verstehen.

"Bombtrack" ist der erste Song des Ende 1992 erschienenen Debütalbums (hier eine Live-Aufnahme von 2010). Er handelt von der Militanz gegen ein System, das soziale Ungleichheit nicht nur zulässt, sondern gezielt zur Niederhaltung der Massen einsetzt. "Landlords and power whores, / on my people they took turns, / dispute the suits I ignite, / and then watch 'em burn". Der Ausdruck "took turns" kann als eine Form der Vergewaltigung interpretiert werden, die "Gutsherren und Machthuren" am einfachen Volk begehen. Auch dass Sänger Zack de la Rocha von "my people" spricht, ist eine bewusste Solidarisierung mit den Unterdrückten, etwa mit der Widerstandsbewegung der Zapatisten im mexikanischen Bundesstaat Chiapas, für die sich Rage against the machine (RATM) wiederholt eingesetzt haben.

"The businesses that burned us all, / see through the news and the views that twist reality": Kapitalismus, die US-Kriegsindustrie, der Rassismus der Polizei und die das System stützende Propaganda der Medien - also das, was der linksradikale US-Sprachwissenschaftler Noam Chomsky 1988 "manufacturing consent" genannt hat, das sind wiederkehrende Motive in den Songs von RATM. Gleichwohl kritisierte ein BBC-Musikkritiker im Jahr 2008 am Debütalbum der in Los Angeles ansässigen Band, die mitunter schlicht dargebotenen Anti-US- und "Ich-bin-dagegen"-Botschaften seien perfekt geeignet für Teenager, die ein bisschen rebellisch sein wollten ihr Kinderzimmer mit Rage-against-the-machine-Postern tapezierten.

Doch die musikalische Bedeutung von RATM ist bis heute immens. Sänger de la Rochas MC-Qualitäten und die extrem eingängigen Riffs von Tom Morello, einem der besten Gitarristen der Welt, schufen eine wegweisende Mischung aus Metal, HipHop, Punk und Funk. Musikjournalisten nannten das Genre, das RATM etablierten, später "Crossover" - ein Musikstil, der auch in der breiten Masse konsensfähig war. Sogar der republikanische Vize-Präsidentschaftskandidat Ryan Paul bekannte 2012, Fan der Band zu sein, was Tom Morello zu einer amüsierten Replik im Rolling Stone veranlasste.

Und so kann "Killing in the name", die ebenfalls 1992 erschienene und bekannteste Single der Band, heute auch auf Partys der Jungen Union laufen. Eventuell wird die Textzeile "And now you do what they told 'ya" dann aber verballhornt zu "Was machst denn du mit dem Toaster".

Oliver Klasen

Pulp - Common People (1995 / neu interpretiert 2015)

Unterklassenromantik, dafür steht dieser Song. Die dummen, lebensfernen, reichen Menschen da oben - die können doch nicht mal eine Weinflasche ohne Korkenzieher aufmachen. Aber wenn sie willig sind, kann man natürlich trotzdem Sex mit ihnen haben. Politischer und kämpferischer wird's bei "Common People" nicht. Reicht auch.

Das Klassen-Unterschieds-Drama funktioniert eben schon lange: Aschenputtel und Prinz, Stadt- und Feldmaus, Präsidententochter und Bodyguard. In diesem Fall ist es eine Tochter aus reichem Griechen-Hause (angeblich die heutige Angetraute von Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis), die mal ins Leben der normalen Menschen reinschnuppern möchte und dafür vom Nicht-Prinzen in einen Supermarkt geführt wird. Aber richtig raffen, wie uns Jarvis Cocker erklärt, wird sie das trotzdem nie:

"Rent a flat above a shop, / cut your hair and get a job. / Smoke some fags and play some pool, / pretend you never went to school. / But still you'll never get it right / 'cos when you're laid in bed at night / watching roaches climb the wall / If you call your Dad he could stop it all."

Und da liegt der Trost: Darum dürfen die nicht allzu Hochwohlgeborenen sich immer und ausführlich lustig machen über die, die mehr Geld haben.

Anja Perkuhn

Underground Resistance - Maroon (1998)

Techno steht für Exzess. Für die Party. Techno befeuert den Eskapismus. Wenn schon nicht die Welt verändern, dann wenigstens in eine andere fliehen, zumindest temporär. Für die Zeit der Love Parade. Oder so lange das Ecstasy wirkt. In ihrem Hedonismus ist die Musik konsumistisch, kapitalistisch.

Doch es gibt auch eine andere Lesart und dafür steht der Track "Maroon". Er stammt vom 1998er-Album "Interstellar Fugitives" des Detroiter Künstlerkollektivs Underground Resistance. Hier wird nicht das zeitlich begrenzte "Sich-aus-der-Welt-schießen" gefeiert. Sondern das richtige Leben im falschen. Wer - anders als Adorno - glaubt, dass dieses Leben möglich ist, der muss "Maroon" als Protestsong hören.

Das ganz andere Leben gibt es nicht nur in der Nacht, das ganz andere Leben ist möglich. Solidarischer, gemeinschaftlicher, ohne die kapitalistische Konkurrenz. Nicht die Vereinzelung auf der Tanzfläche, sondern das gemeinsame Erleben steht im Mittelpunkt. Ein Moment, den man sich nicht kaufen kann - und der dadurch einen subversiven Charakter gewinnt. Die dunklen, harten Klänge von Underground Resistance sind eine Feier der Technologie und der Zukunft. Der besseren Zukunft. Hier ist Techno kein Wirtschaftsfaktor, sondern Vision. Es geht immer weiter.

Sebastian Gierke

PeterLicht - Lied vom Ende des Kapitalismus (2006)

Peter Licht

Peter Licht beim Melt!-Festival 2008

(Foto: Getty Images)

PeterLichts (ja, so soll man den schreiben) "Lied vom Ende des Kapitalismus" macht das ganz schön schlau: Es tut so, als wäre der Kapitalismus schon Geschichte. "Vorbei, vorbei, vor-, vorbei, vorbei" schmettert der Refrain, da lässt es sich wunderbar mitgrölen. Zu dieser Melodie stößt man an Sommerabenden mit Bierflaschen an, am besten auf einem Dach irgendwo in Berlin.

Und weil er eben so tut, als sei alles schon getan und erreicht, was man gegen diese Wirtschaftsform im Sinn haben kann, braucht PeterLicht keinen Kämpfergestus, keine Parolen und null Pathos. Er kann sein Lied gegen den Kapitalismus so singen, wie er es am besten kann: mit dieser besonderen Mischung aus Sentimentalität und Schnodderigkeit: "Is' ja auch lang genug gewesen." Und den Raum öffnen für das Denken in der Möglichkeitsform: Könnte alles auch ganz anders sein.

Seine Kritik liegt aber nicht nur in der Wohligkeit, mit der das Lied - aus nicht näher beschriebenen besseren Zeiten heraus - auf den Kapitalismus zurückblickt. In den Strophen beschreibt PeterLicht sehr lyrisch, wie das damals so war: "Wir regelten unsere Dinge übers Geld", definierten uns über Marken und das Herzeigen der verwertbar gemachten Körper: "Wir hamm uns alle beschriftet und zogen immer weniger an."

2006 kam das gleichnamige Album in die Plattenläden - als tatsächlich viele glaubten, dass das Freiberuflertum der digitalen Bohème den Kapitalismus neu aufrollen und vielleicht irgendwie besiegen könnte. Heute ist das vorbei, die damals vielversprechende neue Arbeitswelt als weiteres Terrain der Selbstausbeutung erkannt. Aber PeterLichts Lied verströmt immer noch den utopieseligen Duft von Sonnencreme und Abendluft.

Kathleen Hildebrand

Sleaford Mods - Jobseeker 2013

Sleaford Mods

Beats für die Arbeiterklasse: Jason Williamson (li.) und Andrew Robert Lindsay Fearn von den Sleaford Mods.

(Foto: Simon Parfrement; Sleaford Mods)

Mehr Working Class geht kaum: "Manchmal hatte ich nur das Geld für einen Mars-Riegel und eine Dose Strong Brew": So ist ein Text aus dem britischen Guardian über Jason Williamson überschrieben, den Sänger/Rapper der "Sleaford Mods", einer Postpunk-HipHop-Zweier-Band aus Nottingham.

Williamson, 44, hat schon in unzähligen Bands gespielt, unzählige Arten von Drogen genommen und hat - deshalb kann er bei den working poor Großbritanniens Credibility beanspruchen - schon in unzähligen Jobs gearbeitet. Im vergangenen Jahr, als die Band gerade dabei war, das von der britischen Musikpresse hochgelobte nächste große Ding zu werden, arbeitete Williamson noch bei der Stadtverwaltung von Nottingham und war dafür zuständig, Sozialleistungen auszuzahlen.

Der Song "Jobseeker" spielt auf einen Arbeitslosen an, der regelmäßig bei dem für ihn zuständigen Jobcenter-Mitarbeiter vorzusprechen hat und daran erinnert wird, dass die Auszahlung der Stütze an die Mitwirkung des "Kunden" geknüpft ist. Die Szene erinnert an bisschen an den Junkie Spud, der - völlig zugedröhnt mit Speed - im Film "Trainspotting" sein Vorstellungsgespräch gekonnt vermasselt.

Frage des Arbeitsagentur-Mitarbeiters: "So Mr. Williamson, what have you done to find gainful employment?" Antwort des Arbeitssuchers. "I've been sat around the house wanking. And I want to know why you don't serve coffee here".

"Schneller, höher, weiter: Macht uns der Kapitalismus kaputt?" - Diese Frage hat unsere Leser in der neunten Runde des Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Dieses Dossier soll sie beantworten:

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Die Aufteilung zwischen Williamson und seinem Bandkollegen Andrew Robert Lindsay Fearn ist klar: Jason Williamson liefert die mit rotziger Wut herausgespuckten und in derbstem East-Midlands-Slang Sprechgesangs-Texte. Fearn liefert sämtliche Instrumental-Parts, meist ein extrem trockenes, treibendes Lo-fi-Gemisch aus Drums und Bass.

Dieser Tage erscheint ihr neues Album "Key Markets". Ende Juni war die Band für vier Konzerte in Deutschland, wo die Fangemeinde stetig wächst. Dann spielten die "Sleaford Mods" auf dem Glastonbury Festival, dem größtem Festival der Welt. Spätestens das wäre dann der Punkt, an dem Punk-Puristen und die Sellout-Polizei anfangen werden zu fragen, ob das "nächste große Ding" überhaupt noch Punk genug ist.

Oliver Klasen

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