Liebesfilme im Kino:Wir sehnen uns nach guten Liebesfilmen

Liebesfilme im Kino: Die Liebe kann ganz leicht sein und schwer zugleich: Barbra Streisand und Robert Redford im Film "So wie wir waren".

Die Liebe kann ganz leicht sein und schwer zugleich: Barbra Streisand und Robert Redford im Film "So wie wir waren".

(Foto: Steve Schapiro)

Klassiker wie "So wie wir waren" oder der Oscarfavorit "La La Land" zeigen: Die Liebe zieht im Kino immer noch. Aber nur mit überzeugenden Frauenfiguren.

Von Susan Vahabzadeh

Drei Begegnungen braucht es, bis das Schicksal zuschlägt, und alle drei sind peinlich. Genau der richtige Start für eine Romanze, denn als sich Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling) endlich ineinander verlieben, ist es für die Vorspiegelung falscher Tatsachen schon zu spät. Damien Chazelles "La La Land" gilt als der Film der Stunde, obwohl er doch ein Musical ist, eine herrliche Ablenkung in eher düsteren Zeiten. Er ist aber auch ein wunderbarer Liebesfilm, mit tiefem Gefühl und herzerweichendem Witz.

Mia und Sebastian sind ein Paar aus einer anderen Zeit. Der Musiker Sebastian will den Jazz am Leben erhalten, Mia ist Schauspielerin, eine von der Sorte ohne Instagram-Account, die sich, wenn es keine Angebote gibt, nicht selbst verkauft, sondern sich einfach selbst ein Stück schreibt. Und dazwischen nähern sich die beiden an, verlieren sich wieder, bis sie eines Tages in seinen Jazzclub hineinspaziert. Klar, von allen Kaschemmen in der Welt kommt sie ausgerechnet in seine.

Es ist selten geworden, dass ein Film so am Rande des Kitsches balanciert - und nie abrutscht

Die Szene spielt ganz bewusst auf "Casablanca" an. Von Bergman und Bogart bis "La La Land" erzählt das Kino immer wieder davon, wie sich zwei Menschen begegnen und füreinander begeistern, wie sie nicht voneinander lassen können. Man könnte Mia und Sebastian stundenlang beim Verliebtsein zusehen, wie sie flirten und in einer lauen Sommernacht in den Hügeln über Hollywood umeinander herumtänzeln, einander schmachtend in die Augen sehen. Und später sehnsuchtsvoll voneinander singen, wenn der andere nicht da ist. Zum Niederknien schön.

Es ist selten geworden, dass ein Film so hoffnungsvoll romantisch ist, so perfekt am Rande des Kitsches balanciert - und doch nie abrutscht. Gerade deshalb empfinden viele Zuschauer und Kritiker "La La Land" als Sensation.

Eigentlich gehört das romantische Drama zu den erfolgreichsten Genres des Kinos. Auf inflationsbereinigten Listen ist der erfolgreichste Film aller Zeiten immer noch "Vom Winde verweht". Auch "Titanic", "Doktor Schiwago" und "The Sound of Music" sind in der Top Ten. Auf diese Liste schafft es "La La Land" vielleicht nicht, aber immerhin hat der Film gerade mit 14 Oscarnominierungen gleichgezogen mit "Titanic", das ist absolute Spitze. Wenn Damien Chazelles romantisches Musical also fast jeden schmelzen lässt, der sich darauf einlässt: Woran liegt das genau? Und warum verlässt man das Kino danach leichter und freier, mit einem Glücksgefühl, das einem keine Superheldengeschichte, keine Sternenkrieger-Saga, kein Animationsfilm mit lustigen Tieren geben kann?

Der erstaunliche Erfolg von "La La Land" zeigt vor allem, dass die Liebe im Kino immer noch Zugkraft hat.

Die erfolgreichen Filme dieses Genres verbindet ja gerade, dass man tatsächlich etwas zu sehen bekommt, von dem man dann nicht will, dass es zerbricht. Warum sollte uns die Trennung interessieren, wenn zwei Filmfiguren von Anfang an den Eindruck machen, als seien sie ohne einander besser dran? Mit einem großen Liebespaar mitzuleiden, bereitet sogar dann Vergnügen, wenn dabei die Tränen fließen; auch der Verlust ist eine starke Emotion, ohne die das Glück und die Hoffnung gar nichts haben, woran man sie messen könnte (und im Kino, aus zweiter Hand, passiert einem selbst wenigstens nichts). Wir leiden so lange mit, bis Kate Winslet in "Titanic" Leonardo DiCaprios Hand loslässt und er in den eisigen Fluten versinkt.

Einer der schönsten und zugleich traurigsten Liebesfilme ist "So wie wir waren", der 1973 mit dem Titel "Cherie Bitter" in die deutschen Kinos kam. Man kann an Sydney Pollacks Film genau sehen, was eine richtig tolle Romanze braucht. Das ist ein bisschen wie in der Dreieckstheorie der Liebe nach Robert Sternberg - der meint damit zwar nicht das Kino, sondern Paare aus Fleisch und Blut, aber auch eine fiktive Beziehung ist uninteressant ohne Vertrautheit, Leidenschaft und Engagement. Barbra Streisand und Robert Redford spielen Katie und Hubbell. Er ist der blonde Star am College, dem alles zufällt und alles leichtfällt; Katie ist die Intellektuelle, die alles schwernimmt. Ein ungleiches Paar, aber irgendwann rettungslos verliebt, und ziemlich lange gibt es in diesem Film für alles eine Lösung. So viel Glück am Stück gilt heute als eher langweilig und banal.

Zwei Minuten Verliebtheit, zwei Stunden Dauerkrach

Vielleicht sind wir einfach ein wenig entwöhnt, obwohl wir uns so sehr nach guten Liebesfilmen sehnen, nach Geschichten, von denen wir Jahre noch schwärmen können. Man denke nur mal an den Boom der romantischen Komödien in den Neunzigerjahren, als Filme wie "Harry und Sally", "Pretty Woman" und "Notting Hill" Millionen Zuschauern die Tränen in die Augen trieben - auch dieses Genre ist im Jahr 2017 praktisch tot.

Im heutigen Kino bestehen Liebesdramen oft aus zwei Minuten wolkiger Verliebtheit und zwei Stunden Dauerkrach - alles andere wird als unrealistisch abgetan. Und was wir da sehen, entspricht ja durchaus der Wirklichkeit: Jede dritte Ehe wird geschieden, die Durchschnittsdauer beträgt fünfzehn Jahre, und die meisten anderen Beziehungen sind sowieso wesentlich kürzer. Wer sich aber mit einem Lebensabschnittsgefährten erst einmal arrangiert hat, glaubt an die große Liebe nur noch heimlich.

Es ist viel leichter, jemanden zurückzuweisen, wenn man ihm nicht in die Augen schauen muss

Dann ist da auch noch die digitale Beschleunigung, sie berührt alle Lebensbereiche, auch unser Liebesleben. Potenzielle Sex- und Beziehungspartner werden auf Portalen vermittelt, im Speed-Dating wird im Minutentakt entschieden, wer infrage kommt, und wenn es nicht schon bei der ersten Verabredung funkt, wird es keine zweite mehr geben. In sozialen Netzwerken halten die Menschen zwar Kontakt, einander aber vor allem auf Distanz: Es ist ja viel leichter, jemanden zurückzuweisen, wenn man ihm oder ihr dabei nicht in die Augen schauen muss. Sich bedürftig zeigen, Schwäche eingestehen - das alles entspricht für die meisten Menschen nicht dem Bild, das sie gerne von sich selbst vermitteln.

Katie, die Hubbell bittet, bei ihr zu bleiben, weil sie sonst niemanden hat auf der Welt - das ist wohltuend unzeitgemäß. In "So wie wir waren" finden die beiden ihr Glück. Sie gibt ihren Job beim Radio in New York auf, er wird Drehbuchautor, sie gehen nach Hollywood, das gerade goldene Zeiten durchlebt. Streisand und Redford entwickeln dabei das, was man gemeinhin als Chemie bezeichnet - sie passen einfach zusammen, weil er ja immer nur so aussieht wie der "Golden Boy" und dann doch mehr will vom Leben; und weil Streisand immer alles ist, bodenständig und glamourös, stark und liebesbedürftig. Wenn man sie denn ließe. Es hat aber die McCarthy-Ära begonnen, alle Linken werden unamerikanischer Umtriebe verdächtigt, Katie ist links und möchte die ganze Welt retten. Das ist übrigens auch eine Zutat großer Liebesdramen - dass es um mehr geht als zwei Menschen.

Am Ende sehen sich die beiden zufällig in New York auf der Straße wieder, es ist einer dieser unfassbaren Momente im Leben, wenn man auf den Menschen trifft, den man liebt, aber nicht haben kann. Beide haben wieder geheiratet, sie lädt ihn zu sich ein, und Hubbell sieht ihr in die Augen und sagt: Das kann ich nicht. Ich weiß, antwortet sie, und streicht ihm zärtlich die Haare aus der Stirn. Dann liegen sie sich in den Armen und halten einander fest, er schließt die Augen, und es ist vollkommen klar: Es ist nicht die Liebe, die den beiden gefehlt hat. Dass eine Beziehung nicht an sich selbst zerbricht, sondern von außen unter Druck gerät, ist ein Gesetz des Genres, wie man in "Titanic" oder "Casablanca" auf quälend schöne Weise sehen kann.

Es ist schwer geworden, heute noch von gesellschaftlichem Druck zu erzählen. Der verschwörerische Liebespakt gegen den Rest der Welt scheint aus einer anderen Zeit zu stammen. Etwa das Zueinanderstehen über alle Klassenunterschiede hinweg, wie es Kate Winslet in "Titanic" tut, die den Geliebten dann ein Leben lang nicht vergisst. Wenn die Liebe nicht ewig hält, dann wenigstens die Erinnerung daran, allen Umständen zum Trotz. In diesem Sinne kann man "Brokeback Mountain" (2005) von Ang Lee als eine der letzten großen Liebesgeschichten des Kinos bezeichnen. Zwei Männer, die sich lieben, aber nicht zusammen sein dürfen: In Zeiten der gleichgeschlechtlichen Ehe ist das auch schon wieder eine alte Geschichte.

Warum wir solche Hindernisse romantisch finden? Ganz einfach: Weil sie eine Entscheidung verlangen, Zugeständnisse vor allem oder gar Opfer. Das ist nicht mehr wirklich in Mode, weil es heute mehr und mehr darum geht, den eigenen Lebensentwurf durchzusetzen. Individualismus aber ist nicht romantisch; das Glück liegt im Geben, auch im Film. Da gibt es einen ganz beiläufig kleinen Moment in "So wie wir waren", wenn Katie ihrem Hubbell auf einer Party einen Teller am Buffet fertig macht und ihm dann fürsorglich hinhält - das ist eine kleine, beiläufige Geste, die gar nicht servil wirkt; das hätte Barbra Streisand auch gar nicht im Repertoire. Es ist einfach nur liebevoll gemeint.

Ein Grund, warum romantische Dramen heute oft nicht mehr funktionieren, sind die Frauenfiguren. "The Light Between Oceans" von Derek Cianfrance hätte der Liebesfilm des Jahres werden sollen, fiel beim Publikum und bei der Kritik aber komplett durch. Auf den ersten Blick hat der Film genau die richtigen Zutaten, Alicia Vikander und Michael Fassbender spielen Neuvermählte auf einer einsamen Insel vor Australien. Er ist Leuchtturmwärter, gezeichnet vom Ersten Weltkrieg, ein anständiger Kerl; aber als sie nach zwei Fehlgeburten ein fremdes Kind aus einem Rettungsboot klaut, lässt er es einfach geschehen.

Alles furchtbar, und doch lässt es einen kalt. Das liegt vor allem daran, dass es hier um zwei Menschen geht, die nicht miteinander klarkommen. Man spürt kein Glück. Durch den angenehmen Teil dieser Beziehung hetzt der Film, als sei der Leibhaftige hinter ihm her, dann breitet sich schon das verfilmte Elend vor uns aus - sie kreischt und heult wie eine Zwölfjährige und manövriert den Gatten sehenden Auges in den Untergang hinein. Bis man sich als Frau im Publikum irgendwann zu fragen beginnt, warum er uns und sich selbst nicht einen Gefallen tut und die blöde Kuh einfach ersäuft. Ein Liebesfilm soll Emotionen wecken, aber nicht unbedingt Mitleid mit der männlichen Hauptfigur. Es gibt auch schreckliche Männer im Kino, doch die größte Malaise des modernen Liebesfilms sind entsetzliche Frauenfiguren.

Wer im Kino heult, weil er die Liebenden liebt, handelt heute herrlich altmodisch

Wer im Kino heult, weil er die Liebenden liebt und mit ihnen mitfühlt, handelt herrlich altmodisch. Und dieses Mitfühlen kann eine Befreiung sein, eine Therapie gegen Gefühlskälte und Gleichgültigkeit, ein Auszug aus dem selbstverordneten Panzer. Die permanente Ironisierung, an die wir uns so sehr gewöhnt haben, um die Dinge auf Distanz zu halten, hat da nichts verloren. Liebesfilme vertragen zwar Humor. Aber für die resignative Erkenntnis, dass Wunsch und Wirklichkeit wieder einmal nicht zusammengefunden haben, ist darin kein Platz. Es mag realistisch sein, in Lebensabschnittspartnern zu denken; die große Liebe aber wird nicht dadurch wahrscheinlicher, dass man nichts mehr an sich ranlässt.

Man darf sich sogar nach Gefühlen sehnen, die nur den Figuren im Film vorbehalten sind - dafür sind Träume da.

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