"Liebesdings" im Kino:Ein Führerschein für Sex

"Liebesdings" im Kino: Der Feminismus bekommt in "Liebesdings" seine eigene kleine Theaterbühne. Auf der spielen u.a. Linda Pöppel (links) und Lucie Heinze (rechts).

Der Feminismus bekommt in "Liebesdings" seine eigene kleine Theaterbühne. Auf der spielen u.a. Linda Pöppel (links) und Lucie Heinze (rechts).

(Foto: Violetta Grimm/Constantin/dpa)

Der Film "Liebesdings" will feministische Volksaufklärung betreiben - indem er Elyas M'Barek mit einer knallharten Feministin verkuppelt.

Von Philipp Bovermann

Ein "Geschlechtsverkehrsführerschein" also, die Idee kommt gut an beim Publikum. Die Frau auf der Bühne stellt sich das mit theoretischer und praktischer Prüfung vor, ungefähr so: Der Mann macht gerade die Hose auf - zack, erst mal ein paar Fragen: "Wo sind meine erogenen Zonen? Wo ist der G-Punkt? Und wie lange dauert denn überhaupt der weibliche Zyklus? Hm?"

Die Performerin auf der Bühne ist, wer hätte es gedacht, eine Feministin, so eine richtig harte, mit einem Buch zum Thema "Entmannung" unter dem Kopfkissen. Sie heißt Frieda und sie wird in Anika Deckers Film "Liebesdings" das Herz des begehrtesten aller Männer knacken. Außerdem kommt ihr die Aufgabe zu, den didaktischen Mehrwert zu liefern, der die Herzen deutscher Filmförderentscheider erweicht. Es steckt also - hoffentlich nur fiktiv - ziemlich viel unbezahlte weibliche Arbeit in dieser feministischen Liebeskomödie, die dem breiten deutschen Publikum erklären soll, warum es sich vor dem Feminismus nicht zu fürchten habe. Wir lernen: Der Feminismus, also Frieda als seine Verkörperung, will ja auch nur lieb gehabt und an den richtigen Stellen unsittlich angefasst werden. Und am Ende gibt's ein Happy End, hurra.

Filmisch ist das gar nicht so blöd umgesetzt: Dass die weibliche Hauptrolle im Film beruflich humoristische Volksaufklärung zu feministischen Themen in einem kleinen Hinterhoftheater betreibt, bewahrt den Film vor ansonsten drohendem Rumgemurkse. Regisseurin Anika Decker, die auch das Drehbuch geschrieben hat, hätte die Aufklärung ja ansonsten in den Film und seine Dialoge insgesamt hineinbacken müssen. Die Figuren hätten in passenden - oder vermutlich eben nur so halb passenden - Situationen plötzlich Referate zum Gendern halten müssen. Ein Mann hätte sich nach vollzogenem Beischlaf eine Kippe im Bett anzünden und furzen müssen, um zu zeigen, wie machohaft Männer sind. So in der Art.

Die Schauspieler wirken richtig nett, man guckt ihnen gern beim Verlieben zu

Das wäre ein sehr dummer Film geworden, so wie es aus eben diesem Grund viele dumme Filme mit guten Absichten gibt. "Liebesdings" ist kein dummer Film. Ein guter oder gar großartiger Film allerdings hätte es geschafft, seine Botschaft nicht wie eine wirken zu lassen - indem er sie nämlich erzählerisch umsetzt, daraus etwas destilliert. Ein solcher Film ist "Liebesdings" auch nicht. Sagen wir also, er ist nett. Nicht im Sinne von "ganz nett", sondern im Sinne von: Die Schauspieler wirken richtig nett, man guckt ihnen gern beim Verlieben zu.

Dafür ist auch reichlich Raum. Weil der Feminismus seine eigene kleine Theaterbühne bekommen hat und dort recht gut aufgehoben ist, funkt er bei der im Kern total konventionellen Liebesgeschichte nicht allzu doll dazwischen: Eine schöne Frau gibt sich frech und unerreichbar, daraufhin verliebt sich ein reicher Mann in sie - in diesem Fall ein Filmstar, dem die Frauen zu Füßen liegen, gespielt von einem Elyas M'Barek im Zustand fortschreitender Georgeclooneysierung. Seine Schnuckeligkeit ist längst noch nicht auserzählt.

Frage für den Geschlechtsverkehrsführerschein: Wie nennt man eine Gesellschaft, in der Männer reich und Frauen arm, aber sexy sind? Fängt mit P an.

Liebesdings, Deutschland 2022 - Regie und Buch: Anika Decker. Mit: Elyas M'Barek, Lucie Heinze, Peri Baumeister, Alexandra Maria Lara, Maren Kroymann, Anna Thalbach. Constantin, 99 Minuten. Kinostart: 7. Juli 2022.

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