Lesenswert:Was Heimat ist

Ein Lichtung-Lesebuch gibt poetische Antworten

Von Sabine Reithmaier

Was ist Heimat? Der Ort, an dem Menschen schon immer gelebt haben? Oder der Ort ihrer Herkunft, an dem sie sich für ihr Dasein nicht rechtfertigen müssen? Kann es auch ein Ort des Ankommens sein? Oder ist Heimat überhaupt nur eine Sehnsucht, eine Erinnerung an frühe Geborgenheit? Mit all diesen Möglichkeiten haben sich 26 Autoren aus Niederbayern, Oberbayern und der Oberpfalz beschäftigt und die Frage mal kritisch, mal poetisch, mal witzig, gelegentlich auch ein wenig sentimental in Erzählungen, Gedichten und satirischen Texten beleuchtet. Kristina Pöschl und Eva Bauerfeind, die Chefinnen des Viechtacher Lichtung-Verlags, haben aus den Antworten ein schön gestaltetes Lesebuch mit dem Titel "Heimat" zusammengestellt, geeignet für jeden, der sich dem Thema nähern will.

"Wie klein dieses Wort! / wie groß seine Bedeutung!/ ich musste sie körperlich verlassen. / doch meine Seele und mein Herz / weilen noch dort", schreibt der Neurochirurg und Dichter Ahamad Almahmoud, der Syrien verlassen musste und seit 2016 in Mitterfels lebt. Für die einen bedeutet ein Dorf Freiheit, für andere dagegen eher ein Gefängnis, wie für die Ich-Erzählerin in Ulrike Anna Bleiers Roman "Schwimmerbecken", die irgendwann mit dem ersten Bus flüchtet. Natürlich geht es auch ums nicht immer einfache Heimkommen, etwa nach dem Krieg ins zerbombte Schwandorf, das Eugen Oker beschreibt. Dagegen erinnert sich Christian Lex in seinem vergnüglichen "Hühnerstallrequiem"an einen Party-Abend seiner Jugend, während er am Stall vorbei zu seinen Eltern fährt.

Heimatgefühle wecken kann vieles. Bei der in Hamburg gebürtigen und in Regensburg lebenden Barbara Krohn ist es die Donau, für Ingrid Kellners Figur Ursula sind es dagegen Linden. Der Niederbayer Django Asül erinnert sich schaudernd an die Ferienbesuche bei türkischen Verwandten. "Hundertmal nehmen sie mich auf den Schoß, busseln mich ab und reichen mich weiter. Eine pazifistische Kriegsgefangenschaft." Und Ottfried Fischer fragt sich in "Grundrecht auf Heimat", warum wir "präpotenten Wessis" uns das Recht herausnahmen, den Ostdeutschen ihre Heimat madig zu machen. Nur um damit "eine Ostalgiewelle" auszulösen, "als hätten die da drüben 40 Jahre nur Autobahnen gebaut".

Herbert Pöhnl beobachtet im "Totenbrettblues", warum Medien meist davon berichten, wie es in seiner Heimat Niederbayern nie war. Und Martina Schwarzmann beantwortet zielsicher die Frage, wo sie "dahoam" ist: "Do, wo man uns koane Fremdn ins Haus neilassn draun / aber jeds Johr unterm Christbaam a Kripperl aufbaun."

Lesungen, Do., 1. März, 20 Uhr, Deggendorf, Bücher Pustet, mit Jonas Brand und Bernhard Setzwein; Mo., 19. März, 19.30 Uhr, Straubing, Bücher Pustet, mit Jonas Brand und Harald Grill; Mi., 21. März, 19.30 Uhr, Regensburg, Stadtbücherei am Haidplatz, Harald Grill und Barbara Krohn

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: