Süddeutsche Zeitung

Lesenswert:Übermütige Welpen

Geschichten von Linda Benedikt: "Katzen duschen nie!"

Von Eva-Elisabeth Fischer

Auf gut Bairisch würde man Linda Benedikt als hinterfotzig bezeichnen. Sie tut nämlich glatt so, als wäre ihr jüngstes Buch "Katzen duschen nie!" nicht mehr als eine heiter-skurrile Anekdotensammlung über die Streiche zweier übermütiger Katzen-Welpen. Wer das just bei Arche erschienene und von Becky Pozzan trefflich illustrierte Büchlein als solche liest, übersieht Wesentliches. Die Geschichten um Kater Toni und die Kätzin Amsel sind nichts weniger als die geschickte Camouflage eines weiteren Kapitels in der nicht eben erheiternden Draufschau der Autorin auf die menschliche Existenz.

Bis zu ihrem schriftstellerischen Debüt mit der Erzählung "Eine kurze Geschichte vom Sterben" arbeitete Linda Benedikt als freie Journalistin. Die gebürtige Münchnerin schrieb nach diesem ersten literarischen Erfolg ein Buch über die Einsamkeit und das Altern und dann noch eines, das die eigene Desillusionierung über das Land Israel während ihres Politik-Studiums in Haifa zum Thema hat. Und jetzt also ein Katzenbuch als heiteres Zwischenspiel vor dem nächsten Brocken? "Katzen duschen nie!" handelt abermals von der Einsamkeit, der Vereinzelung in der Großstadt in einem ihrer lebendigsten Quartiere, dem Gärtnerplatzviertel. Und davon, wie man sie (vergeblich) bekämpft.

Haustiere und ihre Vermenschlichung gelten als probates Mittel dagegen. Und so nimmt es nicht wunder, dass Amanda, eine nicht eben erfolgreiche Schriftstellerin, auf Anraten ihres offenbar einzigen Freundes Peter das Katerchen Toni aus einer feinen Familie und dann als dessen Gefährtin die kleine Straßenkätzin Amsel zu sich nimmt und in ihnen, immerhin, sehr eigenwillige Gesprächspartner findet. Da Amanda selbst das Maß aller Dinge ist, projiziert sie all ihre Sorgen, Wünsche und Vorstellungen auf ihre Katzen. Die aber haben ein wildes Eigenleben, das Amanda oft auf merkwürdige Weise in ihren Alltag integriert. Der intellektuelle Toni liebt Kettchen, die prollige Amsel ist eine Milchschnapsdrossel und damit die ideale Saufkumpanin für Amanda. Denn Frauchen raucht und trinkt mehr als ihr gut tut.

Die Dialoge Amandas mit ihren Katzen machen den unwiderstehlichen Charme dieses Buches aus. Den größten Lesespaß aber bereitet es, was sonst im übertragenen Sinn begriffen wird, von Amanda in seiner wörtlichen Bedeutung erzählt zu bekommen. Nämlich die Geschichte von der netten Besucherin, die gerne Amandas Herzensdame wäre und ihr Herz in der Wohnung verliert. Mit dem spielt dann Toni. Und Amanda bringt es anderntags der Dame zurück. Amsel stirbt - wohl an zu viel Milchschnaps. Ihr Tod ist Anlass für die absurdeste Wendung in "Katzen duschen nie!". Ihre Auferstehung wird als eigenwillige Variante des "Münchners im Himmel" erzählt. Amanda, wie stets knapp bei Kasse und drauf und dran, ins Prekäre abzurutschen, kriegt am Ende gerade noch mal die Kurve.

Linda Benedikt, Becky Pozzan (Illustrationen): Katzen duschen nie!; Geschichten, Arche Verlag

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Quelle:
SZ vom 08.11.2016
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