Lesenswert:Im Wörtermeer

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Lyrik Nora Zapfs und Tristan Marquardts

Von Antje Weber, München

Natürlich besteht die Münchner Lyrikszene nicht nur aus Nora Zapf und Tristan Marquardt samt Freunden. Den Eindruck könnte man allerdings schon gewinnen, so omnipräsent wie sie sind, zum Beispiel als Veranstalter von Reihen wie "Meine drei lyrischen Ichs". Nun legen auch noch beide zeitgleich neue Gedichtbände vor, die sie an diesem Mittwoch im Lyrik Kabinett vorstellen. Und beide Bände sind, alles andere hätte überrascht, natürlich sehr ambitioniert.

Dafür, dass diese jungen Lyriker nicht gerade Verständlichkeit als oberstes Ziel ausrufen, sind ihre Bände einigermaßen zugänglich geraten. Beide interessieren sich durchaus für die Tradition, suchen dabei aber den Bezug zum digitalen Lebensgefühl von heute. Nora Zapf denkt in ihrem Band "Homogloben" (Gutleut Verlag) zum Beispiel bei mythologischen Figuren wie dem Minotaur auch ans Umprogrammieren; in einem anderen Gedicht ist das lyrische Ich ein Cyborg: "mensch, mir schmerzt mein rechter arm". In der globalisierten Welt von heute gibt es aber nicht nur Mischwesen aller Art, sondern auch ein großes Sprachgemisch; ein Gedicht wie "übersetzung, lorquiana" wird daher zu einem Echoraum unterschiedlichster Spracheinflüsse.

"Scrollen in Tiefsee" (Kookbooks) heißt wiederum Tristan Marquardts Band programmatisch. Leuchtend blau ist hier der Einband, sind die Wörter. Die titelgebenden Gedichte beschreiben Mails, "unerreichbar für den körper", oder "stimmen bei skype". Da kommt "echtes verlangen nach echten hirn-wlan-schranken" auf, schläft im Traum das beendete Skype-Gespräch in einem endlosen Kabel. "mitten im wimmeln dich finden", lautet hier das poetische wie wohl auch lebenspraktische Ziel. Auch im Gedichtband selbst findet sich ein Gewimmel unterschiedlichster Formen; mittelhochdeutsche Einsprengsel, Auszüge aus einem "Lichtkatalog" oder mit Bedeutung aufgeladene Zweizeiler: "du schreibst, was du denkst / das du sagst, wenn du schweigst". Letztlich geht es wohl vor allem darum, die Verunsicherung angesichts einer schwer fassbaren Wirklichkeit zu benennen: "ich weiß nicht, welches spiel hier gespielt wird", heißt es am Ende eines Gedichts, "ich weiß nur, es steht 1:0".

Nora Zapf/Tristan Marquardt , Mittwoch, 31. Oktober, 20 Uhr, Lyrik Kabinett, Amalienstraße 83a.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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