Lesenswert:Im Dickicht der Worte

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Die Literatur-Anthologie "Krachkultur" feiert die Natur

Von Magnus Rust

Die Literaturzeitschrift "Krachkultur" ist ein Kuriositätenkabinett im besten Sinne. Circa einmal im Jahr liefern die Herausgeber Martin Brinkmann und Alexander Behrmann eine Anthologie, die alles kann und nichts muss. In der 18. Ausgabe widmet sich "Krachkultur" dem Oberbegriff "Natur". Auf gut 180 Seiten und in 21 Beiträgen wird dazu analysiert, philosophiert und polemisiert. Kurzbeobachtungen von klassischen Autoren wie James Dickey und Heimito von Doderer dürfen hier nicht fehlen. Ansonsten lebt die Zeitschrift in Buchform von ihrer modernen Unberechenbarkeit. Unberechenbar der Stil, unberechenbar die Richtung. Unberechenbar sind auch die Beiträge von Frauen. Davon gibt's nämlich nur drei Stück. Ulrich Holbein verliert sich fast in einem Rausch zwischen Autohaus und Wald, Norbert Hummelt reist durch die georgische Gebirgslandschaft, an Schafsherden, Schieferplatten und Schnaps vorbei, Rosemarie Poiarkov spaziert sinnierend durch Wien. Josef H. Reichholf verfasst einen Lagebericht zum Eichhörnchen in Deutschland, Philip Krömer pflanzt Napoleon Bonaparte eine Blume in den Schädel.

Alexander Kissler hat "Krachkultur" im "Cicero" einmal als "Deutschlands frechste Literaturzeitschrift" bezeichnet, das heißt: niemandes Pfeife nach tanzen. Gesetzt wird dabei auf Wieder- und Neuentdeckungen zu unerwarteten Themen. So findet sich in der aktuellen Ausgabe sowohl ein zuvor in Deutschland unveröffentlichter Poesie-Essay von Ralph Waldo Emerson, geboren 1803, als auch eine Kanu-Kurzgeschichte von Jochen Veit, geboren 1992.

Aus der Anordnung der Beiträge entwickelt sich dabei ein eigentümliches Geflecht zum Thema "Natur" abseits jeglichen Anspruchs auf Vollständigkeit. Der Underground-Appeal von "Krachkultur" ergibt sich aus den aneinandergereihten Textsorten, zwischen denen sich manchmal Brücken und Verbindungen bilden. Manchmal ergibt sich auch rein gar nichts. Lyrik, Romanauszüge, Schächtungen. Man muss sich wenig für "Natur" begeistern, um dieses Dickicht der Worte ins Herz zu schließen.

Martin Brinkmann, Alexander Behrmann (Hrsg.): Krachkultur Ausgabe 18 / 2017. Krachkultur Verlag, 192 Seiten, 14 Euro

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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