Im B ist eine schmucke Bibliothek untergebracht. Der Kindergarten mit Riesenrutsche im K. Im R wie Restaurant kann man zu Klavierbegleitung lecker essen. Und sogar eine uralte U-niversität gibt es. Willkommen in Buchstabenhausen! Nein, nicht Entenhausen, nicht Burghausen, richtig gelesen: Buchstabenhausen.
So heißt ein neues, visuell hochwertiges Bilderbuch. Ein außergewöhnliches, weil darin die Buchstaben zu bewohnten Gebäuden und in der Summe des Alphabets zu einer trubeligen Stadt werden. Jeder Buchstabe, selbst das Q und das X, ist exakt entworfen, detailverliebt ausgestattet, originell umgesetzt. Man merkt hier sofort, dass sich ein Architektenehepaar, die Schweden Maja Knochenhauer und Jonas Tjädler, Gedanken über das Lesenlernen gemacht hat, es ist ihr Debüt. Unter jedem Gebäude stehen heitere Verse, und am Ende des Buches noch Rätselaufgaben, wo welche der unzähligen Stadtbewohner zu finden sind.
Das ist also nicht nur ein reines ABC-Buch, sondern auch und vor allem ein interaktives Wimmelbuch. Im M wie Museum fehlen zum Beispiel alle Kunstwerke. Wo sind sie hin? Und auch im Z wie Zoo finden sich außer dem Zebra keine Tiere: „Die anderen dachten: ,Wir woll’n hier nicht sein!‘ Und nahmen Reißaus, der Zoo war zu klein.“ In welchem Buchstabenhaus sie nun stecken, sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: So macht das Abc-Lernen Spaß. Für Vorschul-, Grundschul- und große Kinder.
„Buchstabenhausen“ ist nicht das einzige Buch, das in jüngster Zeit zum Start ins neue Schuljahr Buchstaben, Wörter, Sprache und deren Wert, Kraft und achtsamen Umgang vermittelt, aber eindeutig das spektakulärste. Es verbreitet eine Magie und entfacht ein Staunen, wie es nur wenige solcher Bücher schaffen. Erinnerungen an „Die große Wörterfabrik“ (Agnès de Lestrade, Valeria Docampo) von 2010 werden wach. In der wird der Leser auch in ein sonderbares Land entführt, nämlich in eines, in dem man die Wörter erst kaufen und schlucken muss, um reden zu können. Was aber, wenn man arm ist wie der kleine Paul, und trotzdem sein Herz öffnen und seine Liebe zu Marie kundtun will?
Alle Seiten sind miteinander verknüpft, Figuren findet man wieder
Zu dieser Wörterfabrik gibt es nun laut Mitteilung des Verlags Mixtvision sogar einen Nachfolger: „Die zauberhafte Wortverlosung“ (Jutta Degenhardt, Lars Baus). In der werden keine Wörter verkauft, sondern verlost – und die Losbesitzer so auf fantastische Reisen geschickt. In „Der Wortschatz“ (Rebecca Gugger, Simon Röthlisberger, NordSüd) wiederum findet Oscar einen wahren Wort-Schatz und lernt durch ihn etwas über die Macht der Sprache: Etwa, dass man mit einem Wort wie „quietschgelb“ sogar einen gleichfarbigen Igel erschaffen kann. Das ist alles nett, alles fein, aber das eine etwas zu erwartbar, das andere etwas zu pädagogisch.
Lesetipp für Grundschüler:Igelrettung für Anfänger
Wenn die Kinder lesen üben, dann bitte mit dieser wunderbaren Herbstgeschichte: „Zicke Zacke Igelkacke“ von Kristina Andres.
Ganz anders, weil vollkommen verrückt: „Buchstabenhausen“. Da irrt ein grüner Außerirdischer im S wie Supermarkt umher, weil sein Ufo kaputt in der G wie Garage steht. Da eilen die Feuerwehrmänner in der F wie Feuerwache zum nächsten Einsatz, weil es im Y wie Yogastudio brennt. Alle Seiten sind miteinander verknüpft, Figuren kommen mehrmals vor.
Einziges Manko bei diesem Tohuwabohu: Auf der Suche nach den geklauten Bildern, den ausgebüxten Tieren und den Rätsellösungen kommt es teils zu wildem Hin-und-Her-Blättern bei Kindern. Die Gefahr, dass dabei Seiten knicken oder gar reißen, ist in „Buchstabenhausen“ deshalb leider sehr groß. Trotzdem: geniales Bilderbuch-Kino.