Kunst:Er macht Ernst

Leon Löwentraut in seinem Atelier; SONDERAUSSTELLUNG





Leon Löwentraut - Leonismo
28. August bis 26. September 2021 im Bayerischen Nationalmuseum

Seine Werke sollen so wichtig werden wie die von Picasso, wünscht er sich: Leon Löwentraut vor seiner Leinwand "Peace of Mind" von 2020.

(Foto: © Adrian Bedoy)

Wenn Leon Löwentraut von sich spricht, klingt das oft nach Parodie. Jetzt überlässt das Bayerische Nationalmuseum ihm einen Saal. Aus gefährlichen Gründen.

Von Kia Vahland

Es hat etwas von einer Persiflage, einer Komödie über Künstlerklischees. Leon Löwentraut, 23 Jahre alt, steht vor seinen Werken im neogotischen Saal des Bayerischen Nationalmuseums (BNM) und guckt bedeutungsvoll in die Kameras. Hinter ihm hängt eine Serie gängiger Kohlezeichnungen, vor ihm liegt eine Mappe mit seiner Edition: Drucke, nachbearbeitet mit Acrylfarben, käuflich erwerbbar. Er wird gefragt, wie er zu Inspirationen komme. Nun, es breche nachts aus ihm heraus, da sei so ein Drang zu malen, dem gebe er nach, ganz intuitiv, ohne große Planungen. "Abstrakt-expressiv" sei das. Gerade hatte er eine Diego-Velázquez-Phase, sagt er, vor alter Kunst habe er Respekt, das Ergebnis ließe sich in dieser Schau betrachten. Er habe doch einmal gesagt, er wolle so berühmt werden wie Pablo Picasso, setzt ein Journalist an, Löwentraut unterbricht: Da sei er falsch zitiert worden, nur seine Werke sollten so berühmt werden wie die Picassos. Kein Anflug von Ironie, gar Selbstironie, schwingt mit, er meint das alles so.

SONDERAUSSTELLUNG





Leon Löwentraut - Leonismo
28. August bis 26. September 2021 im Bayerischen Nationalmuseum

Dieses 2021 entstandene Werk von Leon Löwentraut versteht sich als Hommage an den spanischen Barockmaler Diego Velázquez.

(Foto: © Leon Löwentraut)

Und es ist diese Selbstüberschätzung, die ihn bekannt gemacht hat, dieses Nachspielen der Gesten längst verstorbener Meister: Löwentraut, der wie einst Jackson Pollock angeblich unbeherrscht auf die Farbtube drückt. Das junge Genie, für das sich die weiblichen Modelle ausziehen. Löwentraut, das Wunderkind, abgelehnt von der Düsseldorfer Kunstakademie, aber geliebt von Bild, Bunte und 223 000 Followern auf Instagram. Schon als Schüler machte er so ein Brimborium um sich, dass sich seine Kunstlehrerin vor der Lokalpresse rechtfertigen musste, weil sie ihm nur die Note drei gegeben hatte.

Die Komödie hat noch weitere Akteure. Da ist der omnipräsente Künstlervater, der kurz vor der Pressekonferenz barsche Fragen an die Mitarbeiter richtet; die großformatigen Acrylbilder des jungen Leon Löwentraut sind noch nicht alle fertig gehängt. Der externe Kurator, der alle Preise auswendig kennt, bis 70 000 Euro, angeblich, die allermeisten der Großformate seien schon weg, die Edition sei günstiger zu haben. Der Museumsdirektor, der dem Ganzen irgendeinen Sinn verleihen will und dann ansetzt zu einer Rede, dass Liebe und Gewalt doch schon in der Renaissance die Triebfedern der Kunst gewesen seien, und auch die Werke dieses Jungstars davon kündeten. Wieder guckt Löwentraut bedeutungsvoll.

Er drückt auf die Tube, viel Gold und Pastell, doch Formwillen spürt man nicht

Es ist eine Leistung, dass niemand in Lachen ausbricht. Die Gewalt, die sich in den Acrylbildern vermittelt, richtet sich nur gegen die Malerei, gegen ihre Fähigkeit, Stimmungen zu erzeugen, ambivalent zu sein, die Fantasie von Künstler und Publikum gleichermaßen in Bewegung zu setzen. Auf wahllos grundiertem Hintergrund trägt Löwentraut mit der Tube Acrylkringel und -linien auf, farblich wild gemixt mit viel Gold und Pastell, meistens erkennt man Köpfe, die ausdruckslos vor sich hin starren. Fließende Übergänge gibt es nicht, Überraschungen, psychologische Einsichten, irgendeine Spielart spürbaren Formwillens auch nicht. Die Liebe, die diese Werke antreiben mag, ist wohl eher Selbstliebe, die Liebe zu schnellem Ruhm mit den Mitteln des seichten Trash. Die Welt muss sich nicht gemeint fühlen von so viel Zuckerguss; Löwentrauts Werke zelebrieren nichts als "ein bisschen viel Dekoration", wie es der Modemann Wolfgang Joop einmal ausdrückte. In den Ramschständern für Wandschmuck, wie sie in manchen Möbelhäusern kurz vor der Kasse stehen, würden sie nicht weiter auffallen.

Nun ist niemand, auch kein Künstler, zu ästhetischem Feinsinn oder Interesse an der Gegenwart verpflichtet, und wenn Diskothekenbesitzer, Anwälte oder andere Leute mit genügend Geld gerne mit einem überteuerten Löwentraut-Stück an der Wand angeben, ist das ihre Angelegenheit. Ein Museum aber sollte Maßstäbe haben, welche Kunst zu irgendeiner Form von Erkenntnis beiträgt und welche nicht. Und es sollte zwischen Kunst und Kommerz unterscheiden, will es seine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen.

Das Museum müsste Kulturgeschichte erklären, dann käme auch ein junges Publikum

Der Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums, Frank Matthias Kammel, hat der privaten Edition Minerva, welche die Ausstellung organisiert und kuratiert hat, nicht nur diese Präsentation, sondern weitere Schauen anderer Künstler über mehrere Jahre hin zugesagt. Ziel sei es, so Kammel, junge Leute ins Museum zu locken, zudem profitiere man davon, dass die Edition Minerva das Drumherum wie die Empfänge und einen Katalog selbst bezahle. Dafür bekam der Inhaber der Edition Minerva, Manfred Möller, als Kurator offenbar freie Hand - was so weit geht, dass sogar die Verkaufsedition beim Pressetermin ausliegen kann.

Ausstellung ·Leonismo· im Bayerischen Nationalmuseum

Leon Löwentraut steht beim Pressetermin in der Ausstellung "Leonismo" im Bayerischen Nationalmuseum und zeigt seine verkäufliche Edition.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Das Bayerische Nationalmuseum ist ein Museum mit kulturhistorischem Anspruch, was heißt, dass es Kunst in größerem historischen Kontext zeigen sollte. Das tut es leider oft nicht, zu spezialisiert, zu wenig einordnend präsentieren sich große Teile der ständigen Sammlung. Diese seit Jahren kultivierte Ambitionslosigkeit führt dazu, dass hier zwar viele bedeutende Kunstwerke und kulturhistorischen Objekte vereint sind, aber das Haus nicht einmal in Bayern wirklich bekannt ist - geschweige denn, dass es überregional so wahrgenommen würde, wie dies angemessen wäre. Den Besuchermangel müsste der erst vor zwei Jahren berufene Kammel mit einem Feuerwerk an Ideen beheben. Stattdessen gibt er die Museumsräume nun preis, um beim Boulevard um Aufmerksamkeit zu betteln.

Dabei wäre es gerade in einem kulturhistorischen Museum wie dem BNM unverfänglich möglich gewesen, einzelne Löwentraut-Werke zu zeigen - nämlich in einer fundierten, vielseitigen, kritisch-distanzierten und selbst verantworteten Gruppenausstellung zum Phänomen des medialen Hypes. Dann käme auch ein junges, kunstaffines und gesellschaftspolitisch interessiertes Publikum gerne. Leider hat das Museum sich stattdessen zur Selbstaufgabe entschlossen.

Leon Löwentraut: Leonismo, Bayerisches Nationalmuseum in München, bis 26. September.

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