Pop-up-Buchmesse in Leipzig:Alternativ in Leipzig

Pop-up-Buchmesse in Leipzig: Das Werk 2 in Leipzig, wo 50 Verlage im März die "Buchmesse_popup" veranstalten.

Das Werk 2 in Leipzig, wo 50 Verlage im März die "Buchmesse_popup" veranstalten.

(Foto: dpa)

Mehr als 50 Verlage richten eine Pop-up-Buchmesse aus. Was in der Stadt nach der großen Absage passiert.

Von Felix Stephan

Zwanzig Jahre lang konnte man in Leipzig dem von dem amerikanischen Soziologen Richard Florida entwickelten Konzept der "Creative City" quasi unter Laborbedingungen bei der Arbeit zusehen. Man hatte dort gleichzeitig eine baulich vernachlässigte und zivilgesellschaftlich erschöpfte Stadt ohne nennenswerte wirtschaftliche Tätigkeit. Und man hatte eine kulturell ambitionierte Bürgerjugend. Pop-up-Galerien, Pop-up-Technoclubs und Pop-up-Spätis sprossen bald an jeder Straßenecke aus dem Boden, und kurz darauf war ein gefälliges Investitionsumfeld wiederhergestellt, die Immobilien wieder profitabel vermarktbar.

Dass die "Creative City" auf der ganzen Welt so viele Innenstädte verödet und so viele Viertel für Durchschnittseinkommen unerschwinglich gemacht hat, war dem Erfinder Richard Florida später so peinlich, dass er sich in einem Essay, den dann kaum mehr jemand mitbekam, offiziell entschuldigte. In Leipzig wird das Vokabular jetzt gerade trotzdem wieder herangezogen, und zwar in der Konnotation aus der Zeit der unschuldigen Anfänge, als es tatsächlich noch zivilgesellschaftliche Stadtraum-Interventionen beschrieben hat. Nachdem die Leipziger Buchmesse kurzfristig abgesagt worden war, haben sich mehr als 50 Verlage zusammengeschlossen, um stattdessen die "Buchmesse_popup" auszurichten.

Diese Alternativmesse ist keine Versammlung von renitenten, antikapitalistischen Kleinstverlagen, die Teilnehmerliste liest sich vielmehr wie ein Branchenverzeichnis des hochwertigen Lektorats: Aufbau, C.H. Beck, Hanser, Klett-Cotta, Matthes & Seitz, Suhrkamp und Wagenbach stehen unter anderem darauf. Die Pop-up-Buchmesse findet vom 18. bis zum 20. März im Connewitzer "Werk2" statt.

Die großen Konzernverlage werden nicht dabei sein

Nach der Absage der Buchmesse hatte es einigen Protest gegeben. Ein offener Brief von Autoren, die sich als "wütend, traurig, fassungslos" beschrieben und die in Leipzig gern ihre neuen Bücher vorgestellt hätten, fand mehr als zwei Dutzend Unterzeichner. Eine wortgleiche Petition nähert sich aktuell der Marke von 2500 Unterstützern.

Dem Deutschlandfunk sagte Leif Greinus, Verleger und Mit-Initiator der Alternativmesse, dass man an dem Wochenende etwa 5000 Zuschauern um die 60 Lesungen wird präsentieren können. Das sei zwar ein erheblicher Aufwand, und man werde erst danach wissen, ob man sich zu viel zugemutet habe, aber durch die Absage, so Greinus, sei viel Energie entstanden, die man jetzt nutzen könne.

Die großen Konzernverlage werden nicht dabei sein im Connewitzer Werk 2, was insofern konsequent ist, als die Messe, wären diese Häuser zu einer Teilnahme bereit gewesen, ja auch einfach hätte stattfinden können. Trotzdem möchte unter anderem der Klett-Cotta-Verleger Tom Kraushaar die alternative Buchmesse nicht als Protestveranstaltung verstanden wissen. Die Initiative sei als einmaliges Ereignis gedacht und richte sich nicht, so Kraushaar, gegen die etablierte Messe. Und sie richte sich auch "ausdrücklich nicht gegen die Verlage, die aus nachvollziehbaren Gründen ihre Teilnahme an der Leipziger Buchmesse abgesagt haben".

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