Lee Hazlewood ist tot:Der Cowboy als Playboy

Lässig bis zum Ende: In den 60er-Jahren zum Erfinder des "Country-Rock" deklariert und in den vergangenen Jahren zur Stilikone aufgestiegen, starb der Sänger und Songwriter Lee Hazlewood nun an Krebs.

Karl Bruckmaier

Während der Krebs den 78-jährigen Körper Lee Hazlewoods dem Tod entgegenquälte, waren Seele und Verstand noch so weit intakt, dass Hazlewood letzte Worte ins Mikrophon sprechen konnte. Es galt, ein Lebenswerk zu runden; es galt, den erst in den letzten Jahren errungenen Status als eigenwilliges Gesamtkunstwerk des 20. Jahrhunderts zu festigen, den Namen Hazlewood als Synonym für Coolness im Allgemeingedächtnis zu verankern. Lässig bis zum Ende...

Lee Hazlewood

Lee Hazlewood in einer Aufnahme von etwa 1970. Der Durchbruch gelang ihm in den 60er-Jahren, als er für Nancy Sinatra zahlreiche Stücke schrieb.

(Foto: Foto: Getty Images)

Die Autoren vieler Pop-Nachschlagewerke aus den achtziger und neunziger Jahren dachten nicht so hoch von Lee Hazlewood - oder hatten ihn schlicht vergessen. Und er selbst? Sagte er nicht auf einer Platte zu Nancy Sinatra, seinem erfolgreichsten Geschöpf: "Wir sind die ältesten Teenybopper der Welt." Und dann schlug er die Studiotür zu und setzte sich ab nach Schweden. Das war Anfang der Siebziger.

Lee Hazlewood war bereits über vierzig, als man keinem über dreißig mehr trauen sollte, und hatte ein wildes Leben hinter sich, eine Kindheit im Tross eines Ölarbeiters, ein abgebrochenes Medizinstudium, eine Ehe mit seiner Jugendliebe, Jahre als AFN-Diskjockey in Japan und als Mitglied der kämpfenden Truppe in Korea.

Damals sollte Schluss sein mit dem Kinderkram, den man Popmusik nannte, verlogenes Zeug für Pickelgesichter, das Hazelwood wohl nie recht ausstehen konnte, aber andererseits herzustellen gelernt hatte am Fließband: Zuerst wieder als Radio-DJ im Südwesten, dann als Autor eines Hits für Sanford Clark. Das war zuzeiten von Elvis; das war, als Rock'n'Roll vom lokalen Phänomen zur Volksseuche wurde und jede Menge Geld zu verdienen war.

Genialische Beiträge zur Kulturgeschichte

Das war auch die Zeit der verrückten Produzenten, die ihre immer gleichen Songs mit Ochsenfroschgequake, aufjaulenden Oldsmobile-Motoren oder einem Tenorsaxophon unverwechselbar machen wollten. Hazlewood stellte das örtliche Gitarrentalent Duane Eddy in einen leeren Getreidespeicher, ließ mit den Gitarrentönen auch den Raumhall aufs Band fließen, um es dann im Studio zu verlangsamen: Das war neu, das klang frisch, das reichte Duane Eddy, ein gutes Dutzend Hits einzuspielen, erst mit Hazlewood, dann ohne ihn.

In jenen frühen Jahren der Pop-Exploitation ging ein Brillenjüngelchen namens Phil Spector bei Hazlewood in die Lehre, dem es nichts ausmachte, seinen ersten Hit "To Know Him is to Love Him" zu nennen, eine Zeile, die auf dem Grabstein seines Vaters stand. Und der auch seinen Studio-Vater Hazlewood links liegen ließ, als alles zu Gold wurde, was der kleine Midas anzufassen schien. Aber vielleicht war es ja genau das, was Spector von Hazlewood lernte: sich bloß keinen Kopf machen von wegen Kunst. Immer alles Neue schön runterbringen auf Fernsehformat.

Hazlewood machte es vor: Kommt man nicht an die großen Namen ran, nimmt man die kleinen. Also machte er Platten mit dem Sohn von Dean Martin, mit der Tochter von Frank Sinatra. Die Väter kamen, wenn die Kasse stimmte - und beiden bescherte Hazlewood tatsächlich überlebensgroße Hits, "Houston" ging an Dean, "Somethin' Stupid" an Frank.

Die Hits für die angegrauten Frechdachse der vierziger und fünfziger Jahre hatte sich Hazlewood mit seinem größten Talent erschlichen: Er konnte Ton-Produkte kreieren, die besser klangen als echt, jedenfalls in den Ohren des Mainstreams. Natürlich wollten Vorstadt-Mami und Midtown-Papi keinen Hippie-Quatsch hören oder dieses Arbeitergewinsel aus Nashville, aber abends auf der Swingerparty durfte es schon mal was anderes sein als "Sketches of Spain": Und Hazlewood paarte wie kein Zweiter Playboy-Ästhetik, Johnny Cash-Imitation und Teenie-Pop zu quasi-verruchten Dramoletten, in denen von möglicherweise wildem Sex, von hochhakigen Stiefeln, von Lederklamotten und geilen Pastorensöhnen die Rede war.

Ob das nun als Erfindung von Country-Rock durchgeht oder nicht, den erwachsen und wohlhabend gewordenen Hazlewood vermochte es jedenfalls nicht zufrieden zu stellen, und nach einigen kruden Lebenszeichen aus Schweden wurde es still um den Mann aus Mannford, Oklahoma. Mit der um 1990 aufkommenden Mode, sich für künstliche Exotik, angeschranzte Orchesterarrangements und abgehalfterte Exzentriker des Pop zu begeistern, erlebte auch Lee Hazlewood einen dritten Frühling.

Von Nick Cave bis Kurt Wagner schwärmten seriöse Popmusiker von seinen genialischen Beiträgen zur Kulturgeschichte. Und eines Tages hat Lee Hazlewood es vermutlich selber geglaubt, stieg wieder mit Nancy Sinatra auf die Bühne und fügte seiner Diskographie noch ein paar ungebrochen seltsame Alben hinzu, "Cake or Death" hieß das letzte. "Death" war dann auch die korrekte Antwort, die Lee Hazlewood am Samstag dem Typen mit der Kapuze gab.

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