Süddeutsche Zeitung

Lebenswerk:Ergründe mich!

Wie Charlotte Rampling, die europäischste der großen Film-Diven, die Ehrungen der Filmfestspiele entgegennahm.

Von Anke Sterneborg

In England sei ihr Name zum Verb geworden, sagt die Moderatorin: "To rample", das beschreibe die coole Sinnlichkeit, mit der sie die Männer entwaffne. Sofort denkt man an den berühmten Look, mit dem Charlotte Rampling ihr Gegenüber herausfordert, ihr Geheimnis zu ergründen, das sie nie völlig preisgibt. Sie ist eine Schauspielerin, die kein Aufhebens macht um sich und ihre Kunst, die darauf pfeift, was die anderen denken. Bei der Verleihung des Goldenen Berlinale-Bären für ihr Lebenswerk trägt sie ein schlicht raffiniertes, schwarzes Ensemble aus weiter langer Hose und asymmetrisch gefälteltem Jackett mit Satinrevers.

Britische Zurückhaltung, französischer Charme, italienisch gestikulierende Hände - alle drei Sprachen spricht sie fließend, hat in allen drei Ländern gearbeitet und gelebt. Die Laudatio von Liliana Cavani, der Regisseurin von "Der Nachtportier", des Films, den sie sich für diesen Abend gewünscht hat, wirkt angesichts dessen ein wenig dürr. Ja, sicher, sie gehört zu den talentiertesten Schauspielerinnen Europas, ansonsten geht es nur um die Zusammenarbeit von damals. Umso schöner dann Ramplings Dankesworte an die Zuschauer: "Sie wissen sehr viel über mich. Als Schauspielerin bin ich Trägerin der Gefühle, die ich an die Welt weitergebe. Was ich Ihnen sagen kann und sagen will, liegt in meinen Filmen."

Wie widersprüchlich diese Gefühle sind, zeigt sich anschließend bei der Vorführung des doch recht kolportagehaften "Nachtportiers". Wie in ihren aparten Zügen aus Angst Begehren wird, Zerbrechlichkeit in Stärke umschlägt und Schuld in Leidenschaft, das ist atemraubend. Der Film über die unmögliche Liebe zwischen einer Holocaust-Überlebenden und ihrem SS-Peiniger löste einst heftige Kontroversen aus, öffnete aber auch die entscheidende Tür für Ramplings Karriere.

Sie kann auch ganz schön stachlig werden, wenn ihr eine Frage oder eine Behauptung nicht gefällt. Das bekam der Filmhistoriker Peter Cowie am Mittwoch im Talk der "Berlinale Talents" auf der Bühne des Berliner Hebbel am Ufer zu spüren. Gerade noch hat sie freimütig erzählt, entspannt geplaudert und gescherzt, etwa als es um ihre Begegnungen mit Robert Mitchum, Paul Newman und Woody Allen ging, in der Chandler-Verfilmung "Fahr zur Hölle, Liebling", dem Gerichtsdrama "The Verdict" und der Allen-Komödie "Stardust Memories": Ja, all diese wundervollen Männer anquatschen, das habe sie eben so gemacht, in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Wenn Cowie dann allerdings einfach mal so raushaut, dass "45 Years", mit dem Rampling sich 2015 den Silbernen Bären holte, ja wohl ihr textreichster Film gewesen sei, dann kann sich ihre Laune augenblicklich abkühlen und ihre Miene verhärten: Wie er denn dazu käme, so etwas zu sagen? Textmengen zu vergleichen, hält sie für völlig unangemessen.

Offen beantwortet Rampling dann die Fragen der jungen Filmemacher aus aller Welt - nur als eine junge Schauspielerin wissen will, ob sie in Bezug auf "Me Too"-Gefahren einen Rat hätte, bleibt die Antwort einsilbig. "Nein", sagt sie ruhig und bestimmt. No diva, no bullshit.

Ihre ersten Rollen bekam die 1946 in England geborene Charlotte Rampling in den Sechzigerjahren, fast zufällig. Das sei damals so gewesen, einfach rumhängen und Rollen bekommen, sagt sie lächelnd, "Georgy Girl" zum Beispiel, durch den dann wiederum Luchino Visconti auf sie aufmerksam wurde, der sie überreden musste, in "Die Verdammten" eine Frau zu spielen, die zehn Jahre älter ist und Kinder hat: "Ich muss mir vorstellen können, diese Person tatsächlich zu sein", sagt sie, was im Umkehrschluss auch heißt, dass sie zwar viele Extreme auslotet, aber nie chamäleonhaft hinter Masken und Kostümen verschwindet.

Zum Abenteuer des Lebens gehört für sie ganz selbstverständlich auch das Alter, von dem sie ohne Eitelkeit und in allen Facetten erzählt, weitgehend ungeschminkt, mit grauen Haaren, schweren Lidern und sich mehrenden Falten, dabei aber immer noch schön, sexy und geheimnisvoll: "Ich möchte mein Gesicht richtig alt sehen, ich muss sehen, was da passiert. Das ist die Wahrheit, die will ich leben", hat sie gesagt. Die Gene dafür hat sie, ihr Vater ist 100 Jahre alt geworden - da könnten noch aufregende Rollen kommen.

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Quelle:
SZ vom 16.02.2019
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