Süddeutsche Zeitung

"Heart of a Dog" in der SZ Cinemathek:Das Medium, der Terrier

Die New Yorker Performance-Künstlerin Laurie Anderson träumt sich in einen Hundekörper hinein und wagt mit ihrem Dokumentarfilm einen ungewöhnlichen, berührenden Blick auf die Liebe, das Leben und den Tod.

Von Eva-Elisabeth Fischer

Ihr aufwühlendes Filmpoem "Heart of a Dog" über Geburt und Sterben, Liebe und Tod hat Laurie Anderson ihrem Mann, dem Rocksänger Lou Reed, gewidmet, der 2013 gestorben ist. Der Singer/ Songwriter kommt nur im Abspann vor mit einem seiner schönsten Songs: "What do you call love", fragt er da und findet selbst die Antwort: die Zeit umdrehen.

Es gibt eine Einstellung, da der Ton und die Bilder rückwärts laufen, obgleich Laurie Anderson, New Yorker Performance-Künstlerin aus dem Kreis der Minimalisten mit widerständigem politischen Gewissen und 21 Jahre lang die Frau an Reeds Seite, nicht die Person ist, die Zeit sentimental zurückdrehen zu wollen. Sie leistet ein Stück heftigster Trauerarbeit in Gestalt eines filmischen Traums, mit sich selbst als Traumkörper darin aus der Perspektive eines Hundes. Lolabelle, heiß geliebte Terrierhündin im Hause Anderson / Reed, ihre Wahrnehmung, ihr Leben und Sterben, ist ihr Medium auf der Suche nach der Verbindung zwischen Liebe und Tod.

"Der endgültige Sinn des Todes ist es, die Liebe loszulassen"

Anderson erzählt als Stimme aus dem Off Geschichten aus dem eigenen Leben, geht zurück in Super- 8-Filmen in die eigene Kindheit, erzählt vom Tod der Mutter, die sie nicht lieben konnte, aber auch von ihrem Land Amerika, an dessen politischen Verfehlungen sie sich zeitlebens abarbeitet. Mit Lolabelle also durchstreift sie die Natur. Über der Hündin kreisen Falken, eine bisher nicht gekannte Bedrohung aus der Luft, wie sie die Bewohner des West Village 9/11 erlebten: Der Tod kam von oben.

Anderson erzählt von Lolabelles Erblindung und, mit einiger Selbstironie, davon, wie der Hund malen, bildhauern lernte und am Keyboard dieselben Samples bevorzugte wie Laurie. Sie nimmt einen mit nach Lolabelles Tod in den Bardo, das buddhistische Zwischenreich, wo sich das Bewusstsein eines Toten wandelt und erneuert. "Der endgültige Sinn des Todes ist es, die Liebe loszulassen", sagt die glasklare Stimme Laurie Andersons gegen Schluss. Die Geschichtenerzählerin öffnet mit "Heart of a Dog" eine Tür ins Unbekannte. Man geht mit ihr, fasziniert und zutiefst berührt.

HEART OF A DOG, USA 2015 - Buch und Regie: Laurie Anderson. Kamera: Laurie Anderson, Toshiaki Ozawa, Joshua Zucker-Pluda. Produktion: Laurie Anderson, Dan Janvey, Noah Stahl. Arsenal Filmverleih, 75 Minuten.

Diese Filmkritik ist zuerst am 26. März 2016 in der SZ erschienen.

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