Lars von Trier in Berlin:Seid rebellisch!

Sind wir nicht alle ein bißchen Nazi? Filmemacher Lars von Trier relativiert in Berlin seine provozierenden Aussagen, die ihn in Cannes zur "persona non grata" machten - und sorgt schon für neue Aufreger.

Lars von Trier tut es erneut: Er provoziert - aber nur ein bisschen. Bei der Eröffnung einer Retrospektive seiner Filme, die im Berliner Babylon Kino noch bis 24. September gezeigt wird, gefiel es dem 55-jährigen Regisseur wieder einmal, sich mit provokanten Aussagen ins Gerede zu bringen.

Lars von Trier in Berlin

Lars von Trier in Berlin: "Wer war zuletzt persona non grata in Cannes?"

(Foto: dpa)

Er sei stolz auf seinen Rauswurf beim Filmfestival in Cannes. Als er im Mai wegen provozierender Aussagen über Hitler als "persona non grata" des Festivals verwiesen wurde, habe er das wie eine Auszeichnung empfunden. "Wann hat es so etwas zuvor gegeben?" fragte der Däne vor rund 1000 Zuhörern. "Die goldene Palme vergeben sie in Cannes jedes Jahr, aber wer war zuletzt persona non grata?"

Nach seinem Ausschluss vom Filmfestival in Cannes, auf dem Trier seinen Film Melancholia präsentiert hatte, hatte sich der Regisseur im Nachhinein für seine Sympathiebekundungen gegenüber Hitler entschuldigt.

Inzwischen scheint er mit dem Skandal zu kokettieren: So sagte Trier nun am Wochenende in Berlin, er habe bei einem zurückliegenden Hauptstadt-Aufenthalt im "Nazi-Kempinski" gewohnt. Da man ein erneutes Einchecken nun aber öffentlich falsch verstehen könne, sei er diesmal in einem anderen Hotel abgestiegen.

Die Veranstalter hatten sichtlich Mühe, den für seine Provokationen berüchtigten Regisseur in Zaum zu halten. Babylon-Geschäftsführer Timothy Grossman hat sich Verstärkung durch den Journalisten Hanns-Georg Rodek und den Autor Friedemann Beyer geholt. Sobald Trier zu stark vom eigentlichen Thema der Veranstaltung - seinen Filmen - abschweifte, in Form von Aussagen über das Wesen männlicher Genitalien oder anti-amerikanischen Bekenntnissen, versuchten die Interwiever, den Dänen durch Gegenfragen zu bändigen.

Und dann gelang von Trier doch noch eine Aussage, die weniger Provokation denn eine Erklärung für seine ständigen Provokationen sein sollte: "Provokationen sind immer gut. Sie bringen einen dazu, wieder nachzudenken". Dann rief er ins Publikum: "Seid rebellisch - egal, in welche Richtung!"

Insofern verlief der Abend verlief ohne größeren Skandal und brachte seinen Protagonisten dann doch nur ein kleines Cannes-Gefühl: Von Trier äußerte sich noch einmal direkt zu seiner Aussage, die er beim Filmfestival in Frankreich getroffen hatte und relativierte sie: "Wir sind alle Nazis" sagte er - und fügte hinzu, es sei wichtig, die Mechanismen, die faschistisches Denken ermöglichen, zu untersuchen, anstatt das Thema zu tabuisieren.

Doch Lars von Trier wäre nicht Lars von Trier, wenn er das soeben Gesagte nicht gleich wieder relativieren würde: "Ich habe nicht das Gefühl, bislang irgend etwas Wertvolles gesagt zu haben."

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