Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Larry Kramer ist tot

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Der Schriftsteller, Aktivist und Drehbuchautor kämpfte besonders gegen die Aids-Ignoranz. Nun ist er im Alter von 84 Jahren gestorben.

Von Bernd Graff

Larry Kramer war Aktivist und Autor. Man wird diese Reihenfolge für sein Schaffen wählen müssen, obwohl der 1935 in Bridgeport, Connecticut, im Nordosten der USA, geborene Yale-Absolvent und spätere Präsident der Filmgesellschaft "United Artists" ein mit Preisen bedachter Künstler und ein sogar für den Oscar nominierter Filmschaffender (für das Drehbuch von "Women in Love", 1969) war. Kramer war, wenn man das hier überhaupt sagen kann, der Glücksfall für die politische Graswurzelbewegung inmitten einer der verheerendsten epidemiologischen Krisen des 20. Jahrhunderts.

Larry Kramers Aktionen wie seine künstlerischen Arbeiten waren ab den frühen Achtzigerjahren bestimmt vom Kampf gegen die politische wie gesellschaftliche Aids-Ignoranz. Tausende homosexuelle Männer starben in den ersten Jahren des Jahrzehnts in New York an der bis dahin unbekannten Seuche. Und sie starben die elendesten, einsamsten Tode. Die offizielle Politik kümmerte sich nicht darum. Präsident Ronald Reagan etwa weigerte sich jahrelang, das Wort "Aids" auch nur auszusprechen, obwohl auch ihm klar war, dass die tödliche Seuche grassierte.

Kramer verfasste schon im März 1983 einen berühmten Artikel: "1,112 and Counting" über das menschenverachtende Desinteresse, der mit den Sätzen begann: "Wenn dieser Essay Sie nicht bis zur Weißglut wütend macht, dann haben schwule Männer keine Zukunft mehr in der Welt. Ich wiederhole: Unser Weiterleben auf der Erde steht auf dem Spiel. Wir waren nie in der Geschichte so kurz vor der Auslöschung. Wenn wir jetzt nicht um unser Leben kämpfen, werden wir sterben."

Also gründete Larry Kramer 1987 die Aktionsgruppe "Act Up" (AIDS Coalition to Unleash Power), die mit dem Slogan "Silence=Death" weltbekannt wurde, er verfasste das autobiografische Theaterstück "The Normal Heart" über seine furchtbaren Erfahrungen, das bereits im April 1985 in New York Premiere hatte. Im Anschluss an jede Vorstellung wurde ein Flyer verteilt, der die aktuellen Todeszahlen verzeichnete und die Zuschauer daran erinnerte: "Dies waren reale Menschen, sie lebten und sprachen und starben."

Larry Kramer war bis zuletzt jener weißglühend wütende Mann, der gegen die Indifferenz, ja Ächtung von Kranken aufstehen musste. Er verstarb nun 84-jährig an den Folgen einer Lungenentzündung in Manhattan.

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Quelle:
SZ vom 29.05.2020
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