Süddeutsche Zeitung

Landkreis Ebersberg:"Ich glaube an die Originalkraft"

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Der 22-jährige Dirigent Maximilian Leinekugel aus Vaterstetten will die klassische Musik von ihrem verstaubten Image befreien und für junge Menschen attraktiv machen

Interview von Anja Blum

Maximilian Leinekugel, Tassilo-Preisträger aus Vaterstetten, wollte schon als Kind mehr als Cello und Klavier spielen. Er wollte Dirigent werden, jener Mann am Pult sein, der die großen Bögen zeichnet, aber auch alle Nuancen herausarbeitet, sprich: das Beste aus einem Orchester herausholt. Und er hat es geschafft, heute ist der Taktstock sein Instrument, drei Ensembles leitet der 22-Jährige mittlerweile. Eines davon hat er sogar selbst gegründet - um klassikferne Menschen und vor allem die Jugend für diese Art der Musik zu gewinnen. Wie ernst es ihm damit ist, hat Leinekugel auch in Vaterstetten gezeigt. Dort initiierte er nun ein Orchesterprojekt ohne jeden Dünkel: Eingeladen waren alle Jugendlichen, ungeachtet ihres spielerischen Niveaus, außerdem war die Teilnahme kostenlos.

SZ: Herzlichen Glückwunsch zum Tassilopreis, Herr Leinekugel! Wie gefällt Ihnen die Veranstaltung?

Maximilian Leinekugel: Super! Vor allem weil sie so bunt ist, also weil die ausgezeichneten Projekte und Menschen so vielfältig sind. Das öffnet Horizonte, was man sonst noch so alles machen könnte - in einem Klohäuschen zum Beispiel.

Was bedeutet der Tassilopreis für Sie?

Er ist eine sehr schöne Bestätigung für mein Bestreben, junge Menschen für klassische Musik zu begeistern. Er heißt für mich: Es muss weiter gehen!

Wieso braucht die Klassik mit Blick auf den Nachwuchs Unterstützung?

Ich denke, dass sie in der heutigen Gesellschaft ein falsches, verstaubtes und steifes Image hat. Vor allem deswegen, weil der Musikunterricht an den Schulen oft nicht zu Begeisterung führt, und weil in vielen Familien klassische Musik leider keine Rolle mehr spielt. Dabei muss Klassik überhaupt nicht langweilig sein! Es geht da doch um große Emotionen, um Leidenschaft - also Dinge, mit denen man junge Menschen durchaus erreichen kann. Diese Musik ist nach wie vor aktuell!

Sie spielen mit Ihren "Munich Classical Players" ganz bewusst auch jenseits der renommierten Häuser, im Kleinen Theater Haar zum Beispiel...

Ja, weil der klassische Konzertbetrieb den Bedürfnissen junger Menschen oftmals nicht entspricht. Das fängt bei den Preisen an - und hört bei der Spontaneität auf.

Spontaneität?

Viele junge Menschen wollen nicht Monate vorher eine Karte kaufen, sondern sich lieber kurzfristig entscheiden. Wenn das nicht geht, hören sie Musik nur auf dem Sofa. Das wollen wir mit unseren Konzerten ändern, denn ein Orchester live zu erleben, ist etwas ganz anderes.

Dieser Gedanke stand auch Pate für das Nachwuchsprojekt in Vaterstetten, oder?

Genau. Teil eines Orchesters zu sein, diese Gruppendynamik zu erleben, ist eine ganz besondere Erfahrung. Ein Orchester ist einfach ein tolles Medium, um Musik zu erleben. Das habe ich selbst als Jugendlicher ganz intensiv so empfunden.

Ist das auch in Vaterstetten gelungen?

Auf jeden Fall. Ich wollte den Jugendlichen Freude an der Orchestermusik vermitteln und ihnen zeigen, dass das keine Zauberei ist. Und ich denke, das ist beides geglückt. Die Begeisterung war jedenfalls enorm.

Wie haben Sie selbst als Dirigent die Probenarbeit erlebt?

Als wunderschön. Es ist ein tolles Erlebnis, wenn ein Stück unter diesen Bedingungen langsam Gestalt annimmt. Wenn es erst abenteuerlich klingt - und man dann dem Ziel immer näher kommt...

Wird es eine Wiederholung geben?

Von mir aus gern. Aber ich muss abwarten, was Musikschule und Gemeinde sagen.

Müssen Konzerte eine andere Form finden, um mehr Menschen anzusprechen?

Das kann sein, ja. Ich denke viel darüber nach, diesen zeremoniellen Ablauf einmal aufzulösen. Etwa, indem man in Konzerten auch über Musik spricht - wie Bernstein. Auch die strenge Trennung von E- und U-Musik halte ich für völlig überflüssig, denken Sie nur an Komponisten wie Gershwin... Da gibt es so viel!

Wie sollte ein Programm für junge Menschen gestaltet sein?

Ich glaube, dass man da eigentlich keine Abstriche machen muss. Man kann auf Jugendliche durchaus mit den großen Werken zugehen. Auch von speziellen Bearbeitungen halte ich nichts, sondern glaube ganz fest an die Originalkraft von Stücken.

Wie wird es weitergehen?

Mein Studium der Musikwissenschaften dauert noch bis Sommer 2019, was danach kommt, weiß ich noch nicht. Vielleicht gehe ich eine Zeit ins Ausland. Vielleicht studiere ich noch Dirigieren. Aber gerade das ist ja das Spannende an einem Weg wie meinem: dass er so unvorhersehbar ist. Es gibt so vieles, das man nicht bestimmen kann.

Was ist denn Ihr Ziel, Ihr Traum?

Klassische Musik zu einem Genuss werden zu lassen. Nicht nur für mich, sondern für alle Beteiligten. Also auch für das Publikum. Ein Konzert ohne Zuhörer wäre wie ein Fußballspiel ohne Fans - schrecklich! Insofern trage ich als Dirigent auch eine gesellschaftliche Verantwortung, klassische Musik für jeden zugänglich zu machen. Es gibt noch viel zu tun!

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Quelle:
SZ vom 20.04.2018
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