Tassilo Preis:Tuning für die Energiebündel

Tassilo Preis: Die Bigband Dachau probt noch kurz draußen bevor die Tassilo-Preisverleihung losgeht.

Die Bigband Dachau probt noch kurz draußen bevor die Tassilo-Preisverleihung losgeht.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Dachaus Preisträger zeigen, wie man produktiv feiert: Die Bigband spielt sich mit Pianist Martin Schmitt in einen Rausch, und die fünf jungen Frauen von "Wir sind Paul" hecken schon wieder neue Ideen aus.

Von Gregor Schiegl

Es ist ein glitzernder, lautstarker Triumphzug, den Bandleader Tom Jahn anführt und den er mit exaltierten Rufen anheizt in dem Bestreben, aus der Tassilo-Preisverleihung eine richtige Partysause zu machen. Die Wucht des Sounds lässt nichts zu wünschen übrig. Manche ziehen den Kopf ein, andere klatschen. Briga, die fröhliche kanadische Musikerin, die für vier Wochen als Stipendiatin der Stadt in der Ruckteschell-Villa in Dachau wohnt und mit Dachaus stellvertretendem Bürgermeister Kai Kühnel und Kulturamtsleiter Tobias Schneider am Tisch sitzt, klatscht und lacht. Auch optisch gibt die Band mal wieder alles. JJ Jones, der aus Tennessee stammende Gastsänger, hat sich in ein türkises Gewand mit orientalischen Silberverzierungen geschmissen. Auf den langen Jesushaaren glänzt ein Strahlenkranz aus Alufolie, der an die amerikanische Freiheitsstatue erinnert. Und das ist nur die Ouvertüre.

Als Hauptpreisträger muss die Bigband auf ihren großen Auftritt bis zum Schluss warten, das ist die natürliche Dramaturgie einer Preisverleihung. Dafür dauert es nicht lange, bis Alice Homann, Ines Bugner, Annika Wenzel, Lena Heilein und Lina Homann auf die Bühne treten dürfen, die mit ihrem Verein "Wir sind Paul" das Holzlager vor der MD-Papierfabrik im vergangenen Sommer für zwei Tage in ein kunterbuntes Festival verwandelt haben. Das verdient einen Förderpreis.

Auf der Bühne lüftet Annika Wenzel endlich das Geheimnis, was es mit dem Namen Paul wirklich auf sich hat. "Paul ist ein kleines Hausschwein, das wir über Ebay-Kleinanzeigen kaufen wollten", erzählt sie. Es hat leider nicht geklappt.

"Ich hoffe, dass es irgendwo in einem Garten ein kleines Paradies hat." Man kann nicht immer Schwein haben. Als SZ-Kulturredakteurin Sabine Reithmeier die fünf nach ihren Plänen für die Zukunft fragt, platzt die Bombe: "Wir sind heiß am diskutieren, ob es nächstes Jahr ein White Paper Festival II geben wird." Da brandet Applaus auf und Jubel. Aber meinen sie das wirklich ernst? "Doch, das ist schon ernst", sagt Lina Homann. Aber diesmal werde man es vielleicht mit einem anderen Konzept versuchen. "Wir können das jetzt nicht mehr rein ehrenamtlich machen."

Zunächst werden die fünf Freundinnen ihre Energie in ein anderes Projekt stecken, das schon in diesem Juni anlaufen soll: "ein kleines Kreativkollektiv in der Dachauer Altstadt, an dem wir das Festival, das über zwei Tage ging, dort quasi über das ganze Jahr laufen lassen." Mit Konzerten, Lesungen und Workshops. Eine befreundete Goldschmiedin hat den ehemaligen Perlenladen in der Jocherstraße gemietet; dort zieht sie allerdings erst 2019 ein.

Bis dahin dient es "Wir sind Paul" als neues Experimentierfeld im Kleinen, auf ungefähr 40 Quadratmetern. Wenn das klappt, "suchen wir uns etwas Größeres". Das ist jedenfalls der Plan. Aber der Erfolg hat seine eigene Dynamik. "Wir kriegen noch jetzt gefühlt jede Woche Anfragen von weiß nicht wie vielen Bands, die bei uns anfragen, ob sie spielen können." Aber nützt den fünf jungen Kulturmusen der Kulturpreis dann überhaupt was? "Ja", sagt Lina Homann. Nicht nur als Motivation. "Wenn wir einen bekannteren Musiker gefragt haben, wurden wir schnell abgefertigt." Das könnte sich nun ändern. Der Tassilo-Kulturpreis hat Renommee.

Der Bigband Dachau ist es sogar gelungen, einen der drei Hauptpreise zu ergattern. Ihr kreatives musikalisches Wirken, aber auch ihre gelebte Weltoffenheit, ausgerechnet unter dem historisch belasteten Label "Dachau", fand die Jury großartig, allen voran Martin Schmitt. Mit sichtlicher Begeisterung spielt der Jazz-Pianist eine eigens arrangierte Bigband-Version seines Stücks "Midlife Crisis" mit den Preisträgern, witzig und schmissig, wie sich das gehört.

"Es ist eine große Ehre, mit so einem Titanen des Business zusammenarbeiten zu dürfen", sagt Band-Leader Tom Jahn später mit glänzenden Augen. Und dann kommt auch noch der berühmte Leslie Mandoki und lobt die gelungenen Arrangements. "Das ist bei einem Mann, der so eine Vita mitbringt schon ein Lob, das man sich an die Schultern heften kann." Das Schönste aber sei das Signal, das von dem Hauptpreis ausgehe: "Dass sich die Leute einlassen auf so ein Event wie die Bigband Dachau. Dass wir experimentieren dürfen, dass Musik ohne Netz und doppelten Boden stattfinden darf."

Auch Tilo Ederer, Chef der Knabenkapelle Dachau, unter deren Dach die Bigband entstanden ist, strahlt übers ganze Gesicht. "Es macht uns unheimlich stolz auf die Arbeit, die unser Gründer in diese Band gesteckt hat." Dieser Gründer ist Jörg Hartl. Er spielt an diesem Ehrentag auch mit, wenn auch ganz versteckt, hinten an der Trompete. Der Star ist das Ensemble. Auch das macht diese glitzernde Truppe so sympathisch.

"Die Bigband Dachau ist überregional und international ein großes Aushängeschild für die Stadt Dachau geworden", lobt Kulturamtsleiter Tobias Schneider beim Abschied. Auch "Wir sind Paul" habe mit dem "White Paper Festival" eine ganz tolle Veranstaltung auf die Beine gestellt, die Besucher aus der ganzen Metropolregion München nach Dachau gezogen habe. "Beide zeigen das junge Dachau. Das sind im Moment die besten Botschafter, die die Stadt hat."

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