Süddeutsche Zeitung

Landkreis Bad Tölz - Wolfratshausen:"Ein toller Kick"

Barbara Reimold und Florian Hüttner, die beiden Tassilo-Preisträger aus dem Landkreis, haben schon neue Ideen für Kultur "unterm Apfelbaum" und die Wandelhalle in Bad Tölz

Von Petra Schneider und Felicitas Amler

Als der Tölzer Künstler Florian Hüttner erfuhr, dass er einen Tassilo-Preis bekommt, war er gerade in Paris, um eine Ausstellung aufzubauen. Am Tag der Eröffnung kam der Anruf der Süddeutschen Zeitung. "Das war ein toller Kick für die Vernissage", erinnert er sich. Dass er einer der Preisträger sein würde, bei 120 Bewerbungen, habe er für unwahrscheinlich gehalten. "Umso mehr habe ich mich gefreut", sagt er. Erst um zwei Uhr morgens ist er nach der Preisverleihung ins Bett gekommen. Ein sehr schöner Abend sei das gewesen, mit einer "Üppigkeit" und vielen "anregenden Leuten". Mit Thomas Goerge zum Beispiel, der für sein integratives Theater "Siegfried" ausgezeichnet wurde, habe er sich länger unterhalten, auch das Klohäuschen-Projekt von Anja Uhlig sei sehr spannend.

Hüttner selbst wurde ebenfalls für ein spannendes Projekt ausgezeichnet: Seit sieben Jahren bespielt er die brach liegende Wandelhalle in Bad Tölz als Dependance der Hamburger Galerie für Landschaftskunst mit hochkarätigen Ausstellungen und holt auch internationale Künstler in die Stadt. Die Nutzung der Wandelhalle ist eine "Zwischenlösung" - Eigentümer Anton Hoefter stelle ihm das denkmalgeschützte Gebäude "unbürokratisch zur Verfügung". Wie lange diese Kooperation anhält, weiß Hüttner nicht.

Der Streit zwischen Stadt und Jodquellen AG ziehe sich bereits über Jahrzehnte, "meine Mutter hat gesagt, dass das schon immer so war", erklärt Hüttner bei der Tassilo-Verleihung auf der Bühne. In die politische Diskussion über eine Nachnutzung der Halle will er sich nicht einmischen. Eine "Vision" habe er gleichwohl: Die Wandelhalle als dauerhaften Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst zu etablieren.

Momentan gleiche seine Arbeit einer "Berg- und Talfahrt": Planungssicherheit oder eine langfristige Finanzierung gebe es nicht. Zeitgenössische Kunst in Bad Tölz? Kann das funktionieren? Auf dem Land gebe es natürlich größere Hemmschwellen als in einer Stadt, sagt Hüttner. Aber die Resonanz steige, "und das wird durch den Tassilo-Preis vielleicht noch mehr". Um den Abbau von Hemmschwellen gehe es ihm im Übrigen nicht. "Wir schärfen mit den Projekten unsere künstlerische Position, und dann kann jeder kommen, der sich interessiert."

Momentan laufen die Förderanträge für ein neues Projekt, dessen Kristallisationspunkt eine vergessene Quelle im Tölzer Herderpark ist: Hüttner will sieben Künstler aus dem In- und Ausland Modelle für einen "Brunnen für alle" gestalten lassen. Wie immer bei seinen Projekten knüpft er an einen "lokalen Aufhänger" größere Zusammenhänge: Wasserknappheit, Besitzrechte und die Frage nach dem "Zugang zu Dingen, die eigentlich allen offen stehen". Der Landkreis habe bereits eine Förderung bewilligt, das Prozedere beim Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst läuft noch. Wenn die Finanzierung steht, will er die Künstler, die aus Schweden, Tschechien, Portugal, New York, Hamburg, München und Bad Tölz kommen, für zehn Tage in die Kurstadt einladen, die dann an der Quelle ihre Entwürfe gestalten sollen. Im Sommer könnten diese "über einen längere Zeitraum" in der Wandelhalle gezeigt werden. Und vermutlich wird auch das Brunnen-Projekt wieder viel überregionales Publikum nach Tölz locken.

Der Tassilo-Preis ist die erste Auszeichnung, die Barbara Reimold für ihr zauberhaftes Konzept der "Gesellschaft unterm Apfelbaum" erhält. Die Irschenhauser Goldschmiedin, die jedes Jahr für zwei Wochen Musik, Literatur, Kabarett und Theater in ihren Garten holt, hat sich nach eigenem Bekunden nicht nur über den Preis gefreut, sondern auch den Abend der Verleihung im Münchner "Technikum" genossen: "Ich habe mich pudelwohl gefühlt."

Die Auswahl der Preisträger und auftretenden Künstler sei für sie sehr schön und interessant gewesen. Umso mehr, als Reimold dies immer auch mit dem Auge der Veranstalterin begutachtet. Die Kleinste Bühne der Welt etwa würde sie gern einmal unter den Apfelbaum holen - sie überlege noch, "wie man das einbinden kann"; ebenso die Bigband Dachau ("Toll!"). Und mit dem Veranstalter eines "Klassik-Brunchs" sei sie am Tisch ins Gespräch gekommen: "Das könnte ich mir bei mir auch vorstellen, nicht mehr dieses Jahr, aber dann vielleicht." Der Abend habe so gesehen "einiges in Bewegung gesetzt", sagt Reimold. Im Übrigen sei sie auf einige Bekannte getroffen. Im "Klohäuschen" von Anja Uhlig habe ihre Schwiegertochter, die Künstlerin Katrin Petroschkat, schon ausgestellt. Auch andere Gäste seien ihr vertraut gewesen: "Die Szene ist klein, und man kennt sich." Den Tassilo-Preis nimmt Reimold als Ermutigung für ihr Kulturprogramm unterm Apfelbaum. Es sei ja manchmal, insbesondere wenn es regne, nicht einfach, sagt sie. "Aber bei aller Arbeit und gelegentlicher Ernüchterung wegen des Wetters macht es Spaß. Und wir machen weiter."

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SZ vom 20.04.2018
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