Alben der Woche:Der Hund beherrscht nur einen einzigen Buchstaben - so etwas wie Ö!

Lambchop sind endgültig in Sphären absoluter Unverständlichkeit. Dafür wird Berlin Pop-Hauptstadt: mit Alben von Laurel Halo, Jayda G und Apparat.

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Jayda G - "Significant Changes" (Ninja Tune)

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Quelle: SZ

Es ist eine ausgezeichnete Woche für den Pop, jedenfalls: für Pop aus Deutschland. Die wichtigsten Alben kommen aus Berlin, der internationalen Hauptstadt für elektronische Musik. Da ist Jayda G, die seit drei Jahren in der Stadt lebt und hier ihr Debütalbum "Significant Changes" (Ninja Tune) aufgenommen hat. Die kanadische DJ ist mit ihren hitlastigen, mitreißenden Sets inzwischen sehr bekannt. In ihren Produktionen kommentiert und kritisiert sie gern Probleme der heutigen DJ-Kultur - etwa dass die Leute zwar tanzen gehen wollen, auf der Tanzfläche dann aber nur auf ihr Handy starren. Dagegen wendet sich Jayda G im funky klappernden House-Track "Stanley's Get Down (No Parking on the DF)", was sich erst dann ganz erschließt, wenn man weiß, dass "DF" für Dancefloor steht. Oder sie ist genervt davon, dass vor dem DJ-Pult immer Männer stehen, sodass die Frauen im Club oft hinten tanzen müssen. "Move to the front!", fordert sie ihre Geschlechtsgenossinnen auf. Ja, nicht nur in U-Bahnen, sondern auch in Clubs ist manspreading ein Problem!

Jan Kedves

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Laurel Halo - "DJ-Kicks"-Mix (!K7)

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Quelle: SZ

Die andere exzellente Veröffentlichung ist der "DJ-Kicks"-Mix (!K7) von Laurel Halo. Die Amerikanerin lebt seit 2013 in Berlin und ist mit Produktionen für das Label Hyperdub bekannt geworden. In den 60 Minuten mixt sie sich durch 29 Tracks, wobei nur vier davon von ihr selbst stammen - was weit weniger selbstbezogen ist als bei Mixen anderer DJs und Produzenten. Halo kombiniert harte Acid- und EDM-Tracks mit jazzigem House, mit Bleep-Techno und Gqom-Sound aus Südafrika. Nichts wirkt zusammengestückelt oder zu hastig kombiniert, die Tracks konzentrieren sich zu einem dunklen Sog.

Jan Kedves

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Apparat - "LP5" (Mute)

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Quelle: SZ

Aus Berlin geht es dann noch auf Landflucht: "Brandenburg" heißt einer der atmosphärischen Tracks auf der "LP5" (Mute) von Sascha Ring alias Apparat. Der hat sich, seit er auf seinen Produktionen auch selbst singt, den Ruf eingehandelt, so etwas wie die elektronische Ein-Mann-Version von Radiohead zu sein. Wehleid und Sanftmut prägen seine Tracks, was sich viel böser liest als es dann klingt. In "Brandenburg" etwa legt Ring ein Streichensemble und eine Harfe auf sehr weich sich dahinschleppende Loops, die klingen, wie aus einem alten Folk-Song. Dazu singt er vom Fühlen und von Zerbrechlichkeit, und die Welt fühlt sich gleich ein bisschen besser an.

Jan Kedves

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Lafawndah - "Ancestor Boy" (Concordia)

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Quelle: SZ

Und dann gibt es noch das schöne Debüt "Ancestor Boy" (Concordia) der Amerikanerin mit iranischen und ägyptischen Wurzeln Yasmine Dubois alias Lafawndah. Kristalline Synthesizer-Hallräume, durchzuckt von brutalen Percussions, dazu R&B-Gesang und spektrale Autotune-Chöre. Inhaltlich können Lafawndahs Songs fast biblische Züge annehmen, wenn sie in "Joseph" über eine Geburt ohne menschlichen Zeuger singt und von einem Baby, das die Zukunft ist. Ist der "Ancestor Boy" aus dem Titel etwa Jesus? Ganz klar wird das nicht. Es scheint aber um futuristische, neo-religiöse Wahlgemeinschaften zu gehen. Mit diesem Album bekommen sie ihre eigene Kirchenmusik.

Jan Kedves

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Lambchop - "This (Is What I Wanted To Tell You)"(City Slang)

Lambchop - ´This (Is What I Wanted To Tell You)"

Quelle: dpa

Und ganz zum Schluss auch noch Aberglaube: Das 14. Album von Lambchop ist eigentlich ihr 13., aber, so die Selbstauskunft, "like all the other tallest buildings in the world, Lambchop skips No. 13.". Was nun auf keinen Fall mehr Sinn ergäbe, wenn man es ins Deutsche übersetzte. Wie kaum etwas Sinn ergibt auf diesem bezaubernd geisterhaften Album, mit seinen verhusteten Bässen und trübsinnigen Klavieren, seinen löchrigen Arrangements und dem mit Autotune wieder schwerstverfremdeten Gesang. Vor allem mit dem. Etwa 20 Minuten dauert es, dann drängt sich dem Zuhörer angesichts des so offensiv verzogenen Genuschels eine abgewandelte Loriot-Zeile auf: "Der Hund kann überhaupt nicht sprechen. Er beherrscht nur einen einzigen Buchstaben: so etwas wie 'Ö'!" Was nun vollkommen egal ist, weil die Texte auch gelesen - zumindest mit den Mitteln der gängigen Hermeneutik - kaum mehr preisgeben. Absolut stimmig also, dass Lambchop-Mastermind Kurt Wagner, dieser Sonderling unter Sonderbaren, das Album wie nennt? Genau: "This (Is What I Wanted To Tell You)".

Jakob Biazza

© SZ vom 20.03.2019/biaz
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