Am vergangenen Wochenende zeigte das britische Sunday Times Magazine, zum Erstaunen der italienischen Zeitungsleser, die dieses Bild sofort kopiert bekamen, einen ungeschminkten Silvio Berlusconi: Ein Greis schaute da in die Kamera, faltig, mit stumpfer, grober Haut, durch die sich die Sehnen am Hals deutlich abzeichneten. Und leerer noch als der Gesichtsausdruck, der die Unbeweglichkeit schlechthin zu sein schien, wirkten die Augen: Ins Nichts schaute das rechte Auge, und das linke war seltsam nach oben gedreht, so als sähe es gar nichts mehr.
Als endlich vollzogenes Bekenntnis zum Alter wurde dieses Porträt gewertet, als späte, aber dennoch willkommene Bestätigung, dass die vielen langen Jahre des falschen Scheins und des Selbstbetrugs vorüber und einer neuen Ehrlichkeit gewichen sind, einer ungetrogen realistischen Einschätzung nicht nur der eigenen Lage, sondern auch Italiens. Gegen die Jugendlichkeit des Sozialdemokraten Matteo Renzi, seines jüngsten Verbündeten, so lauteten die Kommentare, könne Silvio Berlusconi sowieso nicht bestehen. Angesichts von so viel Elan helfe nur Alter und Weisheit.
Müde von den Tänzen der Kulturelite
Mit dem Eingeständnis des Helden, er sei alt und müsse nun ernst werden, endet auch der italienische Film "La grande bellezza" des Regisseurs Paolo Sorrentino, der vor ein paar Tagen, zum Erstaunen des italienischen Publikums, zuerst einen "Golden Globe" zugesprochen bekam und dann für einen "Oscar" vorgeschlagen wurde, als bester ausländischer Film.
Er erzählt ein paar Tage im Leben eines gewesenen Schriftstellers und jetzigen Journalisten, der seinen fünfundsechzigsten Geburtstag erleben muss und nun, da ihm die Lebenslügen und die Tänze der linken Kulturelite schal geworden sind, durch Rom zieht. Schön ist diese Stadt im orangefarbenen Licht, das der Sommer morgens und abends auf den Marmor wirft, und alt ist sie: das Kolosseum, die Villa Giulia und das Aquädukt des Claudius - so alt und so schön, dass das einzelne Leben nicht nur zu etwas Unbedeutendem, sondern auch zu etwas prinzipiell Schmerzlichem wird, dem man, so scheint es, nur mit äußerstem Realismus begegnen kann.
Zusammengefasst ist dieser Gedanke in einer Szene, die von einem Mann erzählt, der an jedem Tag seines nun vielleicht vierzig- oder fünfzigjährigen Lebens fotografiert wurde. Diese Bilder, viele Tausend an der Zahl, hängen nun in einer gewaltigen halbrunden Loggia und erzählen die Geschichte eines Menschen, wie sie in jugendlicher Neugier und Lebensfreude beginnt und in Stumpfheit, Grobheit und Kraftlosigkeit endet.
Angeblicher Realismus als Mittel der Sentimentalität
Doch wie groß ist der Realismus tatsächlich, der in solchen Einsichten liegt? Wie ernst ist es, wenn sich Silvio Berlusconi die braune Schminke vom Gesicht wischt? Was ist davon zu halten, wenn der Held des Films den haltlosen, eitlen Menschen in seiner Umgebung empfiehlt, doch endlich allen Ehrgeiz, den ideologischen wie den persönlichen, fahren zu lassen und einander als alten Menschen ins Auge zu blicken, im Wissen um die Vergeblichkeit aller Bemühungen? Wenig, denn dieser angebliche Realismus ist nur ein Mittel der Sentimentalität.
Er ist nicht das Ende aller Masken, sondern eine neue Maske - ein "memento mori", das vor lauter Rührung über die eigene Illusionslosigkeit die nächste Illusion produziert, einen sauren Kitsch, der großer Kulissen bedarf. Deswegen ist Rom hier so alt und so schön - weil die Stadt als Laufsteg der Desillusionierung dient. Seltsam, dass man in diesem Film hierzulande eine Abrechnung mit der Ära Silvio Berlusconis erkannte. Die Welt, schrieb hingegen die Zeitung Corriere della Sera, als sie den Erfolg von "La grande bellezza" im Ausland zu erklären suchte, halte Italien für eine "Turnhalle der Empfindsamkeit". Wie recht sie damit hat.