Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Verschämte Sexualkultur

"Sex Tape" will unanständig und familienfreundlich zugleich sein und wird zur Tour de Force. Die Biene Maja hingegen hat ihren Anarchie-Charme verloren. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

Die Biene Maja - der Kinofilm

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(Foto: dpa)

Obwohl Alexs Stadermanns 3D-Adaption im zeitgemäß rasanten Actiontempo vorwärtseilt, wippen die computeranimierten Bienenfrisuren hier noch ein wenig steifer im Wiesenwind als in der 70er-Kulttrickserie. Der Geschichte ist im modernen, pastellig weichen Neuanstrich der alte Anarchie-Charme der ungehorsamen Biene abhandengekommen. Als Lehrstück über Individualität funktioniert das immer noch, wenn auch mit seltsam biederem Beigeschmack. Neu im Kino: "Die Biene Maja" vorgestellt im Video. Im Bild: Die Biene Maja mit ihren Freunden, Hornisse Fetzer und Willi.

Everyday Rebellion

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(Foto: W-film/GoldenGirlsFilmproduktion)

Ist friedlicher Protest erfolgreicher als Gewalt? Dieser Frage gehen die Brüder Arman und Arash Riahi in ihrer Doku nach. Von den Oben-Ohne-Demos der Femen-Frauen über die maskierten Occupy-Demostranten bis zu rebellierenden Indigos untersuchen sie die Mechanismen gewaltloser Intervention. Das ergibt gesammelt zwar etwas viel Idealismus, ist aber trotzdem eine spannende Zwischenbilanz der letzten Demonstrations-Jahre.

Der Junge Siyar

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(Foto: N/A)

Siyar ist ein schüchterner 17-Jähriger mit Oberlippenflaum. Siyar ist aber auch das Oberhaupt einer Familie im Nordirak - und in dieser Rolle muss er an seiner abtrünnigen Schwester einen Ehrenmord verüben. Quer durch Europa führt Siyar die Verfolgungsjagd, die Hisham Zaman in diesem Coming-of-Age-Film der etwas anderen Art mal humorvoll, mal tragisch inszeniert. Aus dem überforderten Jungen wird ein reflektierter Mann, der doch am Ende scheitern muss - ein sehenswertes Langfilmdebut. Im Bild: Abdullah Taher.

Katakomben

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(Foto: Universal Pictures International)

Eine sehr junge Archäologie-Professorin macht sich mit ein paar Mitstreitern auf in die Katakomben von Paris und alle filmen sich dabei - John Erick Dowdles Horrorstück ist so eine Art Lehr-Witch Project. Gesucht wird eine geheime Kammer, in der die tiefsten Geheimnisse der Alchimie gelöst werden - oder sich einfach nur das Tor zur Hölle verbirgt. Vom Ansatz ist das alles sehr hübsch, gruselig und originell - die Ausführung aber ist ein wenig holprig. Im Bild: Ben Feldman, Perdita Weeks.

Lügen und andere Wahrheiten

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(Foto: dpa)

Gelegenheiten und Gründe, unbequeme oder peinliche Wahrheiten lügnerisch zu umschiffen, gibt es unzählige, besonders vor einer Hochzeit. Ein breites Spektrum davon dekliniert Vanessa Jopp mit sechs experimentierfreudigen Schauspielern wie Florian David Fitz, Meret Becker, Thomas Heinze und Jeannette Hain durch, denen sie statt eines Drehbuchs nur Szenen vorgab. Doch statt improvisierter Leichtigkeit entsteht dabei vor allem verkrampfter Quark, statt amüsanter Komik quälende Peinlichkeit, statt Überraschungen nur Unwahrscheinlichkeiten. Im Bild: Thomas Heinze als Carlos und Meret Becker als Coco.

Maps to the Stars

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(Foto: dpa)

Dies ist kein langweiliger Anti-Hollywoodfilm über das Verdrängte der Traumfabrik. Mit den Gespenstern, die eine ältere Schauspielerin (Julianne Moore) und die Familie Weiss in Hollywood heimsuchen, hat David Cronenbergs Auseinandersetzung mit den gewaltsamen Prägungen und Transformationen von Körpern ihre subtilste Stufe erreicht: Das hier oft beschworene Schreiben - die Form - kommt bei Cronenberg vor jeder Ideologie. Im Bild: Mia Wasikowska als Agatha (links) und Julianne Moore als Havana.

A Most Wanted Man

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(Foto: dpa)

Günther Bachmann ist ein deutscher Agent, der in Hamburg Islamisten jagt. Sein Revier ist die Straße - altmodisch im Zeitalter der digitalen Totalüberwachung. So wollte es John le Carré in seiner Romanvorlage, so inszeniert es auch Anton Corbijn: als Abgesang auf das alte Spionagehandwerk. Unterstützt von ortskundigen Kollegen (Nina Hoss, Daniel Brühl) liefert der große Philip Seymour Hoffman, der im Februar seiner Heroinsucht erlag, eine unvergessliche Performance der Vergeblichkeit. Eine ausführliche Filmrezension lesen Sie hier. Neu im Kino: "A Most Wanted Man" vorgestellt im Video. Im Bild: Philip Seymour Hoffman

Sex Tape

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(Foto: Sony Pictures, dpa)

Im Prinzip kennt, wer den Titel liest, schon den ganzen Film: Das schlüpfrige Video eines Ehepaars - Cameron Diaz sexy-hysterisch und Jason Segel schwitzend überdreht - droht in digitalen Umlauf zu geraten. Weil Jake Kasdans Komödie zugleich unanständig und familienfreundlich sein will, verrennt sie sich schnell in einer stumpfsinnigen Tour de Force verschämter, amerikanischer Sexualkultur. Neu im Kino: "Sex Tape" vorgestellt im Video. Im Bild: Cameron Diaz und Jason Segel als Jay.

Song from the Forest

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(Foto: Tondowski Films)

Zur faszinierenden Meditation zivilisationsflüchtiger Sehnsüchte weitet sich Michael Oberts Portrait des amerikanischen Musikforschers Louis Sarno. Seit 25 Jahren lebt Sarno bei einem Pygmäenstamm im afrikanischen Regenwald. Nun reist er mit seinem 13jährigen Sohn in die Stadt seiner Herkunft, New York. Staunend befragter Welten-Kontrast: hier der naturschöne Dschungel, dort die Metropole aus Stahl und Beton. Im Bild: Louis Sarno.

Töchter

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(Foto: R.Vorschneider, MadonnenFilm)

Auf der Suche nach ihrer Tochter gerät Agnes (Corinna Kirchhoff) an die Herumtreiberin Ines (Kathleen Morgeneyer). Ein Machtkampf zwischen den beiden Frauen beginnt - und eine Art Liebeswerben. Die Regisseurin Maria Speth ist vom Kunstanspruch der Berliner Schule inspiriert, treibt diesen aber am Ende so weit, dass kein Leben mehr in ihrer Erzählung bleibt. Im Bild: Corinna Kirchhoff, Kathleen Morgeneyer.

© SZ vom 11.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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