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Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Verbunden und doch getrennt

Als Massenbewegungen noch Einigkeit erzeugten: Der Krimi "Kill Your Darlings" porträtiert den Gründungsmythos der amerikanischen Popkultur, doch "Disconnect" holt uns zurück in die neue Einsamkeit des digitalen Zeitalters. Dabei ist menschliche Zugewandtheit heilend, wie "Der Imker" zeigt. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

Als Massenbewegungen noch Einigkeit erzeugten: Der Krimi "Kill Your Darlings" porträtiert den Gründungsmythos der amerikanischen Popkultur, während "Disconnect" von der neuen Einsamkeit des digitalen Zeitalters handelt. Dabei ist menschliche Zugewandtheit heilend, wie "Der Imker" aufzeigt. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht. Die Filmstarts vom 30. Januar auf einen Blick - bewertet von den SZ-Kritikern. 47 Ronin 3D Aus der alten japanischen Legende über eine Gruppe in Ungnade gefallener Samurai, die Rache üben wollen, hat Regie-Debütant Carl Rinsch ein gewaltiges Action-Abenteuer gebastelt, für das er sich freimütig bei "Herr der Ringe" und "Fluch der Karibik" bedient, während Keanu Reeves etwas hilflos in der Handlung steht. Wer sich aber gern von hübschen Hexen verzaubern lässt, ist hier genau richtig. David Steinitz Im Bild: Die Schauspieler Keanu Reeves als Kai und Kou Shibasaki als Mika in einer Filmszene des Kinofilms "47 Ronin".

Anchorman 2 Ein Lobgesang aufs Quotenfernsehen. Schluss mit den guten Intentionen, mit der Besserwisserei. Warum, orakelt der Anchorman Ron Burgundy, sollen wir den Leuten nicht präsentieren, was sie sehen mögen!!! Einen Test im Crackrauchen zum Beispiel, oder eine Autojagd live. Fast zehn Jahre nach dem ersten Anchorman machen sich Will Ferrell als Ron und seine genialen Kumpane - Steve Carell, Paul Rudd, David Koechner - wieder behaglich in ihren Rollen breit als amerikanisches Urgestein. Mit allen Vorurteilen und Infantilitäten und Gemeinheiten, von denen Amerika einfach nicht lassen kann. Hoffnungslos inkorrekt. Fritz Göttler Eine ausführlich SZ-Kinorezension lesen Sie hier. Im Bild: Pelzige Haarungetüme, Marotten und Tics: Will Ferrell (l.), zum zweiten Mal als Anchorman in einer opulenten Comedy.

Argerich Die große Pianistin Martha Argerich erntete schon im Teenie-Alter Weltruhm, litt gleichzeitig an schier unüberwindbarer Bühnenangst. In einer neuen Dokumentation umschwirrt nun Stéphane Argerich ihre Mutter mit der Kamera, erzählt liebevoll kokett und leichtfüßig von den größten Lebenskrisen, arbeitet sich in die mentale Intimsphäre der Künstlerin vor, ohne sie zu entblößen. Helmut Mauró

Disconnect Short Cuts aus dem digitalen Zeitalter, in dem IPhone, IPad oder soziale Netzwerke die Menschen gleichermaßen verbindet wie trennt. Der Film von Henry-Alex Rubin ist erst so schnell, fragmentiert und unübersichtlich wie das Internet selbst, um zunehmend traditionelle (Erzähl)werte zu vertreten. Ziemlich überzeugend. Martina Knoben Im Bild: Paula Patton als Cindy Hull und Alexander Skarsgard als Derek Hull in einer Szene des Kinofilms "Disconnect"

Der Imker Er mag das, wenn seine Bienen ihn stechen, sagt der Kurde Ibrahim in Mano Khalils behutsam unsentimentalem Porträt. Ist gut gegen Rheuma, Imker kriegen das nicht. Gegen den Schmerz seines Lebens aber - Verfolgung, Selbstmord der Frau, Exil in der Schweiz - gibt es kein Mittel, nur kleine Linderungen. Soziale Sicherung, freundliche Menschen, weite Landschaft, nur mit den Bienen wirklich arbeiten darf er hier nicht, das sei nur ein Hobby. Fritz Göttler

Kill Your Darlings - Junge Wilde Daniel Radcliffe hat wieder eine Brille auf und verwandelt sich diesmal ganz famos in den jungen Allen Ginsberg. Der trifft an der Uni auf Jack Kerouac und William S. Burroughs und wird von einem verführerischen Kommilitonen in eine irre Mordgeschichte verwickelt. John Krokidas porträtiert den Gründungsmythos der amerikanischen Popkultur als Krimi. Und als zärtlich-brutale Geschichte vom Ende der Unschuld. David Steinitz Im Bild: Ben Foster (William Burroughs, l-r), Allen Ginsberg (Daniel Radcliffe), Lucien Carr (Dane DeHaan) und Jack Kerouac (Jack Huston) genießen das Studenten-Leben in einer Szene des Kinofilms "Kill Your Darlings - Junge Wilde"

Mandela - Der lange Weg zur Freiheit "The Wire"-Star Idris Elba spielt Mandela weniger, als dass er rasch die Masken wechselt und den Slang imitiert. Justin Chadwicks Biopic, von "South African Tourism" mitfinanziert, changiert zwischen Gewaltporno und Werbeclip für das Land und ihre größte "Attraktion": Aus der Apartheid wird apartes Kino. Das erste Bild (Madiba durchquert ein Ährenfeld in der Abendsonne) hätte dafür gereicht. Leider dauert der Film zweieinhalb Stunden. Philipp Stadelmaier Im Bild: Idris Elba als Nelson Mandela (l) und Naomie Harris als Winnie verliebt in einer Szene des Films "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit".

Parallax Sounds Chicago Augusto Contentos dokumentarisches Porträt der Musikszene Chicagos, wo in den Neunzigerjahren Künstler aus allen Ecken der Welt zusammenfinden um den Post-Rock, inspiriert von Jazz, Rock, Filmmusik und Pop, zu kreieren. Steve Albini, Produzent von Nirvana, und weitere Vertreter der Musikszene entführen auf unbekannte, anekdotische Pfade, umrahmt von phantastischen Stadt-Impressionen: Bilder, die sprechen. Schade nur, dass ob der Akzentuierung narrativer Elemente die Sinnlichkeit des Post-Rocks verborgen bleibt. Bruno Bachmann

Le Weekend Jim Broadbent und Lindsay Duncan verbringen ein Wochenende in Paris, um den Geist der lang zurückliegenden Hochzeitsreise zu reanimieren - das geht gründlich schief. Unter anderem deswegen, weil schäbige Hotels im Alter nicht mehr als romantisch durchgehen. Die Idee einer späten RomCom, die Roger Michell und Hanif Kureishi da hatten, ist fabelhaft; der dritte Akt gerät aber etwas aus den Fugen. Susan Vahabzadeh Im Bild: Jim Broadbent und Lindsay Duncan

Le Passé - Das Vergangene Der iranische Regisseur Asghar Farhadi, der für "Nader und Simin" vom Oscar abwärts alles gewonnen hat, inszeniert nun auf Französisch in der Pariser Vorstadt. Eine Apothekerin und ein Wäschereibesitzer, eine Affäre, aus der ein neues Leben werden soll - wären da nicht noch widerspenstige Kinder, ein Ex-Mann und eine Frau im Koma. Etwas Unwiderrufliches ist bereits passiert, und Farhadi zeigt seine Meisterschaft einmal mehr darin, wie er die Zuschauer zu Detektiven der Gefühle macht. Tobias Kniebe Eine ausführliche SZ-Kinorezension lesen Sie hier. Im Bild: Ali Mosaffa als Ahmad (l-r), Tahar Rahim als Samir und Berenice Bejo als Marie in einer Szene des Kinofilms "Le Passe - Das Vergangene"

Staudamm Staatsanwaltsgehilfe trifft in Provinzdorf auf die Überlebende eines Schulamoklaufs à la Winnenden (Liv Lisa Fries), findet das Tagebuch des Täters (Standarddiagnose: Außenseiter mit Welthass) und spricht Zeugenprotokolle auf Band. Vom Ereignis und vom Trauma zeigt Thomas Siebens Präventionsfilm nichts. Kein Wunder: Laufen wird er ja vor allem an Schulen. Als Diskussionsvorlage, nicht als Film. Philipp Stadelmaier Im Bild: Friedrich Mücke und Liv Lisa Fries

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