Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Männerfreundschaft und Schwesternliebe

"Die abhandene Welt" im Kino mit Barnara Sukowa und Katja Riemann

Entdecken ihre gemeinsame Vergangenheit: Barbara Sukowa und Katja Riemann in "Die abhandene Welt".

(Foto: 2015 Concorde Filmverleih / Jan Betke)

Katja Riemann muss sich mit Tölpelmännern rumschlagen. Und Russell Crowe sucht die Leichen seiner drei Söhne. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

Die abhandene Welt

Katja Riemann singt (Bar-Jazz), Barbara Sukowa auch (Oper, Liedgut). Ansonsten verkörpern beide in Margarethe von Trottas Möchtegern-Familiendrama die typisch trottaesken "starken" Frauen - im Gegenüber zu Tölpelmännern (Tyrann, Weichei oder Smartie). Die Story mixt das thrillernde Doppelgängermotiv mit Bruderzwist und Weiberlist, um schließlich bei Kitsch, Komik (unfreiwillig) und Oldie-Soap zu landen.

Rainer Gansera

Der Babadook

Das Monster in diesem Horrorfilm von Jennifer Kent ist ein Kinderbuch namens "Der Babadook", das direkt aus den schlimmsten Albträumen des deutschen Expressionismus stammen könnte. Die Nachtlektüre mit Mama verschreckt den kleinen Samuel so sehr, dass er immer aggressiver wird. Eine düstere Geschichte über die Angst vorm schwarzen Mann - und über die Angst einer Mutter vor ihrem Kind.

David Steinitz

The Forecaster

Anfang der Achtzigerjahre tauchte in den USA ein Mann auf, der ein Computermodell entwickelt hatte, das er mit historischen Daten fütterte: Martin Armstrong. Mithilfe dieses Modells und der Zahl Pi sagte der Finanzexperte mit erschreckender Genauigkeit Wendedaten der Wirtschaft voraus: den Nikkei-Crash 1989, die Russlandkrise 1998/99, die Dotcom-Blase 2000, die Finanzkrise 2007, die Euro-Krise 2009. Er war einer der teuersten Marktanalysten, Ökonom des Jahrzehnts, sein "Pi-Code" war für seine Anhänger eine Art Weltformel. Ist dieser Mann ein Genie oder ein Scharlatan? Im September 1999 stürmte das FBI sein Büro, man warf ihm vor, Anleger mit einem Schneeballsystem um 700 Millionen Dollar betrogen zu haben - Beweise wurden nie vorgelegt. Er saß zwölf Jahre im Gefängnis, sieben Jahre allein wegen Missachtung des Gerichts. Seit 2011 ist er wieder frei, unbequem ist er geblieben: Er wirft den Regierungen vor, durch Überschuldung ihrerseits ein gigantisches Schneeballsystem aufzubauen, für den Euro sieht er schwarz - und den nächsten Crash sagt er für den 1. Oktober voraus. Drei Jahre lang haben Filmemacher Marcus Vetter und SZ-Redakteurin Karin Steinberger Armstrong begleitet.

SZ

Hedi Schneider steckt fest

Hedi (Laura Tonke) führt ein scheinbar unbeschwertes Leben mit Mann und Kind, bis sie glaubt, einen Schlaganfall zu erleiden. Der Notarzt findet nichts - ihre Angst bleibt.Sonja Heiss' Hypochonder-Studie ist ein nicht durchgehend gelungener Versuch, von einer psychischen Störung zu erzählen, zwischen Komödie und Drama.

Martina Knoben

High Performance

Zwei Brüder, der eine karrieregeil, der andere nicht, lässt Johanna Moder in ihrem Kinodebüt aufeinander los. Zwischen den beiden: dieselbe Frau. Um Sein und Schein geht es in dem gewitzten Drama aus Österreich, um Manipulation, Macht, das Streben nach dem guten Leben. Die Grazerin lässt ihre Figuren lässige Dialoge sagen und vermeidet es, Schlüsse zu ziehen.

Bernhard Blöchl

Hot Tub Time Machine 2

Was nun eigentlich mehr Spaß macht in Zeitreisefilmen, der Trip in die Zukunft oder in die Vergangenheit, das kann man an den beiden Hot Tub Time Machine-Filmen (Regie: Steve Pink) prüfen. Natürlich denkt man nun bei der Fortsetzung wehmütig an die wilden Achtziger des ersten Teils zurück und an John Cusack, der nicht mehr dabei ist - er wird ersetzt durch Adam Scott, der Cusacks Sohn spielt und sich bravourös schlägt. Das anarchische Potenzial ist so stark wie ehedem.

Fritz Göttler

Käpt'n Säbelzahn und der Schatz von Lama Rama

Was sind denn das für Piraten? Käpt'n Säbelzahns Crew wohnt in einem aufgeräumten Hafenstädtchen und folgt bedingungslos einem pseudoaristokratischen Captain-Hook-Verschnitt ohne Hakenhand. Ein paar schöne Einfälle haben John Andreas Andersen und Lisa Marie Gamlem zwar in ihrem braven Kinderfilm. Aber von der großen Freiheit auf den Weltmeeren ist nichts zu spüren.

Kathleen Hildebrand

Wenn schon Knast, dann gut vorbereitet

Der Knastcoach

Der Banker James (Will Ferrell) sucht jemanden, der ihn für den Knast abhärtet. Da nach seiner Statistik ohnehin jeder dritte Schwarze dort landet, nimmt er einfach den erstbesten als Coach (Kevin Hart) - dumm nur, dass der sich als braver Familienvater herausstellt. Und so lässt Etan Cohen die beiden sich durch vorhersehbare aber muntere Klischees in Sachen afro-amerikanischer Kultur, respektive weißer Snobismus kalauern.

Luise Checchin

Der Letzte der Ungerechten

Der Letzte der Ungerechten, das ist der Rabbiner Benjamin Murmelstein. Er hat als Rabbi in Wien mit dem gierigen Eichmann für Tausende von Juden die Rettung ausgehandelt, war im Nazi-Vorzeigelager Theresienstadt bei Prag der letzte Judenälteste und hat den Holocaust überlebt. 1975 hat Claude Lanzmann ihn in Rom aufgesucht, das Gespräch mit ihm aber nicht in sein großes Werk "Shoah" aufgenommen. Nun hat er Murmelstein einen eigenen Film gewidmet, ist dafür, weit in den Achtzigern, noch mal an die Schauplätze gefahren. Ein müder, aber ungebrochener Recke, der Murmelstein wie einen Kameraden behandelt und vor dem Vorwurf der Kollaboration in Schutz nimmt. Ein gelassenes Werk zwischen Horror und Heiterkeit, das Zurückschauen kann auch schädlich sein, sagt Murmelstein und erinnert an das Schicksal von Orpheus und Eurydike.

Fritz Göttler

Papusza

Wie ein Heiligenbildchen, ehrfurchtsvoll und operettenhaft, mit holzschnittartigen Schwarz-Weiß-Bildern, formen Joanna Kos und Krzysztof Krauze das Portrait der polnischen Roma-Dichterin Papusza (1910-1987). Als Kontrast zur mörderischen Epoche - Krieg, Verfolgung, Zwangsansiedlung - die Entdeckung der Poesie. Historie und Poesie bleiben jedoch dekorative Kulisse, vor der Papusza als Schatten vorüberhuscht.

Rainer Gansera

Das Versprechen eines Lebens

Russell Crowe auf Kindersuche: in seiner ersten Regiearbeit spielt er einen australischen Farmer,der sich nach Ende des Ersten Welkriegs in die Türkei aufmacht. Er will unbedingt die Leichen seiner drei Söhne finden, die aus der Schlacht von Gallipoli nicht zurückgekehrt sind. Als Drama ist das bewegend und wäre noch ein bisschen schöner, hätte sich Crowe übersinnliche Anwandlungen verkniffen. Historisch hat in ein Wespennest gepackt: Der Genozid an den Armeniern wird nie erwähnt, dafür macht sich der Film in der Auseinandersetzung mit den Griechen ganz und gar die türkische Sicht zu eigen.

Susan Vahabzadeh

Lesen Sie hier eine ausführliche Kinokritik zu "Das Versprechen eines Lebens".

Der Wald ist wie die Berge

Bei Dokumentarfilmen entspringt die Überzeugungskraft der Balance von Nähe und Distanz. Christiane Schmidt und Didier Guillain sind der rumänischen Roma-Gemeinde, die sie begleiten, nahe wie gute Verwandte. Sie blättern deren Alltag als herziges Familienalbum auf. Quasi ein Homevideo. Die spannende Frage nach dem Verhältnis zur lokalen rumänischen Bevölkerung wird leider nur kurz angedeutet.

Rainer Gansera

What the Fuck heißt hier redirected?

Im Osten nichts Neues - zumindest in Emilis Velyvis' Gangsterkomödie. Zwar versucht er, Figuren, Motive und schwarzen Humor um die richtigen Vorbilder zu scharen: Guy Ritchie oder Quentin Tarantino. Die bemüht-bizarre Story um vier in Litauen gestrandete Londoner Möchtegerngangster fährt er aber zwischen Balalaika-Folklore und Geballer buchstäblich in den Dreck seiner osteuropäischen Korruptions- und Plumpsklo-Vorurteile.

Annett Scheffel

Die Widerständigen "also machen wir das weiter..."

Kinotrailer

"Die Widerständigen" (Basis)

"Die Weiße Rose" für Fortgeschrittene: In der öffentlichen Wahrnehmung ist die NS-Widerstandsbewegung untrennbar mit den Geschwistern Scholl und München verbunden. Die Flugblätter animierten aber auch anderswo Studenten zum Widerstand. Der Dokumentarfilm von Katrin Seybold und Ulla Stöckl versammelt Zeitzeugen und lässt sie wenig bekannte Geschichten erzählen.

Karoline Meta Beisel

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