Süddeutsche Zeitung

Kinostarts der Woche:Brech-Tanz in Ostalgieklamotte

"Dessau Dancers" recycelt als Teenie-Tanzfilm DDR-Klischees und "A Blast - Ausbruch" schärft den Blick für die Krise in Griechenland. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

10 Milliarden

Fleisch aus der Petrischale oder genmanipulierte Lachse: Bis 2050 werden zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben - wie sollen sie satt werden? Valentin Thurn ("Taste the Waste") fragt Forscher, Lobbyisten, Biobauern und Verfechter lokaler Ernährungsprojekte. Das Thema ist brennend wichtig, die Lösungsansätze sind interessant. Thurns Haltung aber scheint immer schon fest zu stehen, bevor er fragt. Eine Doku im Dienst der guten Sache.

A Blast - Ausbruch

Ein Widerstandsfilm aus Griechenland, mitten aus der Krise. Die blonde Maria ist Einzelkämpferin, sie versucht, das Leben der Familie wieder in Ordnung zu bringen. Der Mann ist auf hoher See und allen möglichen Versuchungen ausgesetzt. Die Mutter hat jahrelang Steuern hinterzogen. Aus den Menschenrechten kann man eine ausgelassene Schau machen. Die Krise bringt Dringlichkeit in die Geschichten der Menschen, sagt der Regisseur Syllas Tzoumerkas, das Bedürfnis, die Dinge klarer, irgendwie nackter zu sehen. Die ausführliche SZ-Filmrezension lesen Sie hier.

Dessau Dancers

"Wie heißt das? Brech-Tanz?" DDR 1985: Wie die Breakdance-Rebellion staatlich vereinnahmt wird. Sympathische Akteure (Gordon Kammerer, Sonja Gerhardt), doch Regisseur Jan Martin Scharf taumelt zwischen Teenietanzfilm und Ostalgieklamotte und beschränkt sich auf Klischee-Recycling: vom Aufmarsch strohdoofer DDR-Funktionäre bis zum Balztanz auf dem Hochhausdach. Eine Geschichte von Nonkonformität konform erzählt. Das jetzt.de-Interview mit dem Regisseur lesen Sie hier.

Das Glück an meiner Seite

Da hat man die zwei Königinnen der zitternden Unterlippe, Hilary Swank und Emmy Rossum, in einem Buddy-Movie übers Sterben, aber richtige Rührung will sich nicht einstellen. Eine reiche Pianistin wird unheilbar krank, nur eine verwilderte Studentin kann sie angemessen pflegen, die Verwandten sind bös, die Männer feig - während Regisseur George C. Wolfe sich in die Klischees verrennt, weinen bloß die Protagonisten.

Nur eine Stunde Ruhe!

Christian Clavier in einer klassischen Klamotte - als Zahnarzt, der am Samstag ein verschollen geglaubtes Jazz-Album hören möchte und statt dessen einen Wasserschaden im Luxusappartement hat, während sämtliche Nachbarn im Wohnzimmer eine Party feiern, seine Geliebte vor der Tür steht und seine Frau ihm zu erklären versucht, was genau bei ihrem Seitensprung vor zwanzig Jahren passiert ist. Das ist recht lustig; aber liebenswert sind diese Menschen leider alle nicht.

The Pyramid - Grab des Grauens

Wenn man nicht so damit beschäftigt wäre, die Figuren zu hassen, könnte man sich besser auf Grégory Levasseurs fehlende Regie konzentrieren: In Ägypten wird eine neue Pyramide unter der Wüstenoberfläche entdeckt. In ihr treiben eingesperrte Götter ihr Unwesen, oder Katzen, oder Aliens. Eifrige Archäologen und unbedarfte Dokumentarfilmer steigen heimlich in die unterirdischen Gänge und enden blutig. Verdient.

Run All Night

Nach "Unknown Identity" und "Non Stop" setzt Jaume Collet-Serra Liam Neeson zum dritten Mal unter zeitlichen und psychologischen Druck. Das Muster ist bewährt: Ein abgehalfterter Held setzt noch einmal alles auf eine Karte, statt 96 Stunden hat er hier nur 16, um das Leben seines entfremdeten Sohnes zu retten. Dabei muss er nicht ganz so sinnlos gewalttätig agieren wie bei Luc Besson und Olivier Megaton, darf ein bisschen melancholischer und nachdenklicher sein, während sein Regisseur es ein bisschen übertreibt mit den hektischen Schwenks und Zooms, Fahrten und Flügen durch ein düsteres New York.

Top Five

Chris Rock spielt Chris Rock nach einem Drehbuch von Chris Rock unter der Regie von Chris Rock: Ein gefallener Filmkomiker versucht seine Karriere als Charaktermime zu reanimieren, und um sein Werk zu promoten, lässt er sich einen Tag lang von einer hübschen New York Times-Journalistin begleiten, die ihn wieder leben und lieben lehrt. Weisen Rat wissen außerdem die Comedy-Veteranen Whoopi Goldberg, Adam Sandler und Jerry Seinfeld. Eine Rezension im Video sehen Sie hier.

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Quelle:
SZ vom 16.04.
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