Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Wilder Wandel

Der Trompeter Mathias Eick im Quintett in der Unterfahrt

Von Oliver Hochkeppel

Ganz so winzig kann der Zirkel der Freunde des sogenannten Jazz (die Genrebegriffe werden ja immer volatiler) in München also nicht sein: War doch die Unterfahrt gesteckt voll beim Auftritt des norwegischen Trompeters Mathias Eick mit seinem Quintett, obwohl gleichzeitig im Ampere die grandiosen österreichischen Indie-Pop-Jazzer 5K HD zu Gast waren, im Bayerischen Hof Chico Freeman mit den Schweizer Haudegen Heriri Känzig und Reto Weber spielte, und in der ausverkauften Allerheiligen Hofkirche auch noch Eicks Freund, ECM-Label-Genosse und Nordic-Jazz-Kollege Jon Balke mit den Trondheim Voices. Völlig unabhängig von dem, was anderswo geschah, musste niemand hier sein Kommen bereuen. Der als ECM-Künstler und BMW-Welt-Jazz-Award-Gewinner in München besonders populäre Mathias Eick glänzte. Und bewies zudem, dass er sich musikalisch weiterentwickelt hat.

Schon immer lebte seine Musik von der Kombination elegischer Melodien - typisch "nordisch", wie viele es empfinden - mit ausgeprägter Rhythmik. Als einer der ersten und durchaus stilbildend bestückte er sein Quintett mit zwei Schlagzeugern, um der Sache noch mehr Druck zu verschaffen. Das hat er jetzt gar nicht mehr nötig. Der Multiinstrumentalist und größte Schelm des skandinavischen Jazz, Stian Carstensen, übernahm hier an Akkordeon und Pedal Steel den Part des zweiten Drummers auf seine Weise.

Was perfekt zu Eicks neuem, auf der CD "Ravensburg" (wo seine Großmutter lebte) erschienenen Programm passt, das sich beim Thema Familie stärker mit Farben, Stimmungen und Wechseln beschäftigt. Immer noch ist das Schwelgen im melodramatischen Wohlklang ein Markenzeichen, doch ergibt sich daraus jetzt ein komplexeres, tiefsinnigeres, dabei nicht weniger druck- und genussvolles musikalisches Geflecht als die früher schnell zu Pop-Fusion gerinnenden Kompositionen. Jetzt darf man auch dazwischen staunen, wenn es bei Mathias Eick vom ganz Ruhigen zur wilden Attacke geht.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2019
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