Kurzkritik:Wilde Mischung

"Oh Sees" stellen im Strom ihr aktuelles Album vor

Von Jürgen Moises

Gehört der Rock 'n' Roll nun ins Museum? Das haben zumindest schon einige behaupte, auch weil Hip-Hop die Charts dominiert. Wobei der auch nur selten innovativ klingt. Wer sich jedenfalls kaum um derartige Fragen kümmern dürfte, ist John Dwyer aus Los Angeles. Und zwar schon deshalb, weil der Gitarrist und Sänger dafür keine Zeit hat. Mit seiner Band Oh Sees, die auch schon mal The Ohsees, OCS oder Orange County Sound hieß, hat der 44-Jährige seit 2003 rund 20 Alben veröffentlicht und dazu genauso viele Singles und EPs.

Das im Moment noch aktuelle Album "Face Stabber" hat Dwyer nun zusammen mit einem Bassisten, einem Keyboarder und zwei Schlagzeugern live im ausverkauften Strom vorgestellt. Die Musik darauf ist wieder einmal eine wilde Mischung aus Garagen-, Psychedelic-, Kraut-, Punk- und Blues-Rock. Insofern könnte man auch sagen, dass Oh Sees selbst so etwas wie ein lebendes Rock-Museum darstellt. Ein Retromonster mit zehn Armen und zehn Beinen, das auf der Bühne einen gehörigen Wirbel veranstaltet, wie es davor ganz ähnlich auch die französische Okult-Rock-Band Aluk Todolo im spärlichen Licht einer vor den Musikern hängenden Glühbirne getan hat.

Bei Oh Sees führt das dazu, dass bereits bei den ersten Songs "Nite Expo" und "Tidal Wave" die Becher fliegen und Stage Diver von der Bühne springen. Das geht eineinhalb Stunden lang so weiter, während sich Oh Sees durch die Rockgeschichte spielen. Trommeln und Bass wummern wie in Endlosschleife, das Keyboard orgelt psychedelisch. John Dwyer singt dazu mit hoher Stimme und haut ekstatisch krachende Garagenrock-Riffs raus. In Kraut- oder Jam-Rock-Manier kann das zuweilen über zehn Minuten gehen. Wie beim psychedelisch dahin wabernden "Henchlock", dem letzten Song des neuen Albums, mit dem Oh Sees auch live ihr rockmuskalisches Panoptikum, Pardon, Panakustikum schließen.

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