Kurzkritik:Wie in Trance

Die koreanische Sängerin Youn Sun Nah in der Muffathalle

Von Oliver Hochkeppel

Ein Youn-Sun-Nah-Konzert ist immer auch ein nahezu spirituelles Erlebnis, ein Gesangs-Gottesdienst sozusagen. Schon weil die koreanische Sängerin bei ihren Auftritten selbst in ein Art Trance verfällt. All ihre Energie und Konzentration steckt sie da in die Musik, so dass für die spärlichen Ansagen gerade noch ein gehauchtes "Dankeschön" herausspringt. In den besten Momenten überträgt sich diese Versenkung auf das Publikum, das dann genau wie sie von der Musik hypnotisiert und aus dem Raum in eine andere Sphäre transportiert wird.

"Immersion", also Versenkung, Eintauchen, heißt passenderweise auch Youn Sun Nahs neues Album, das sie jetzt in der Muffathalle vorstellte. Nach einem missglückten Experiment mit der Band des New Yorker Avantgarde-Pianisten Jamie Saft ist dies ihr vielleicht bestes, in jedem Fall ihr persönlichstes. Nicht nur wegen so vieler Eigenkompositionen wie nie, sondern auch, weil die beiden, dem französischen Pop von Zaz bis Camille verbundenen Musiker Clément Ducol und Pierre-François Dufour wieder ihre eigentliche Stärke zum Vorschein brachten. Mit ihrer präzisen, ausdrucksvollen und variablen Stimme kann Youn Sun Nah nämlich nahezu jeden Song der Musikgeschichte in ein herrliches Chanson verwandeln.

Dies funktionierte in der Muffathalle bei George Harrisons "Isn't It A Pity" ebenso gut wie beim eher von Phil Collins als von den Supremes abgeholten "You Can't Hurry Love", bei Marvin Gayes Soul-Hymne "Mercy Mercy Me" und beim hier wirklich gebrochenen "Broken Halleluja" von Leonard Cohen. Und bei Michel Legrands "Sans Toi" natürlich sowieso. Der unentrinnbaren Suggestionskraft ihres Vortrags kam die Reduktion ihrer Tourband noch zugute: Nur der Gitarrist und Keyboarder Tomek Miernowski sowie der Bassist und Schlagzeuger Rémi Vignolo begleiteten sie. Und das auch nur mit dem Nötigsten, das Youn Sun Nah brauchte, um wieder einmal einen Höhepunkt im Konzertkalender zu generieren.

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