Kurzkritik:Von Fall zu Fall

Lesezeit: 1 min

Anna Konjetzkys "The Very Moment"

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Die Versatzstücke zweier Sitzreihen definieren die Spielfläche des Werkraums als Arena. So absichtsvoll unfertig, bruchstückhaft wie diese Bühnenkonstruktion von Andrey von Schlippe, bleibt auch Anna Konjetzkys neuestes Stück "The Very Moment", ein Spiel, das - anders als bei wettkämpfenden Olympioniken - keine wirklichen Sieger kennt. Untersucht werden Stürze im Videobild hintendran, welche die Tanzenden bei ihren Selbstversuchen in Sachen Balance peinlichst zu vermeiden suchen. Anders als auf den kurzen Filmbildern spielen die drei Frauen und zwei Männer keine Rollen - weder einen Marathonläufer, der, kaum hat der das Ziel hinter sich, vor Erschöpfung zusammenbricht, noch den torkelnden Trinker.

Maxwell McCarthy gibt den Kommentator, peinlich darum bemüht, jeden Wackler, jede Unsicherheit seiner Co-Probanden zu registrieren. Die schärfsten Konkurrentinnen sind Quindell Orton und Sooyeon Kim. Die stoische Quin ist Siegerin im Dauerstehen auf Zehenspitzen, während Sooyeon schon nach wenigen Sekunden kippelt und dabei ihr Scheitern ganz locker wegsteckt. Ein bisschen erinnert "The Very Moment", diese demonstrativ gestellte Frage nach dem Augenblick, in dem man die Balance verliert und damit die Kontrolle über den eigenen Körper, an den "Versuch über das Turnen" der Theatergruppe Hauptaktion. Nur dass es hier nicht um Ideologie geht. Sondern allenfalls darum, dass dieses fatale Moment für Tanzende blamabel sein kann, aber ebenso aufregend für den Zuschauer wie für den Tänzer - ein Nervenkitzel, den Choreografen wie Merce Cunningham und William Forsythe in exzessiven Off-balance-Sequenzen zu nutzen wussten.

Konjetzkys Versuchsanordnung hat etwas von einem harmlosen Kinderspiel. Die existenzielle Frage, was es für einen Menschen heißt, das Gleichgewicht zu verlieren, aus der Balance zu geraten, die stellt "The Very Moment" nur verbal. Man bleibt trotzdem dran. Und das ist ja schon was.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: