Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Viel fujifuji

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Drei Künstlerinnen in einem japanischen Bambuswald

Von SABINE LEUCHT, München

Die Grundschule in der Bazeillesstraße ist ein wunderbarer Ort für einen albern-verspielten Abend. Drei Frauen ziehen darin einen durstigen Bonsaibaum und Sitzgelegenheiten auf Rollwägelchen durch die Gänge. In einem Klassenzimmer beugt sich Masako Ohta tief über ein auf einen weiteren Wagen geschnalltes Akkordeon; via Computerbildschirm und Whiteboard sieht man die drei im Zusammenspiel mit dem Meer, einem Bambuswald, sich selbst und den Menschen in Japan.

Dort waren Ruth Geiersberger (Performance), Martina Koppelstetter (Gesang) und Masako Ohta (Klang) im vergangenen Herbst unterwegs. Zum Wortesammeln die erste, mit viel Echinacea im Gepäck die zweite und auf Tuchfühlung mit allem, was tönt, die dritte. Die performative Konzert-Installation "über ge setzt" ist das Ergebnis dieser Reise. Eines, das sich dem Missverstehen widmet und in dem Menschen wie Disziplinen einander ergänzend ins Wort fallen. Es wird schön gesungen und Klavier gespielt, aber auch kakofon gestört, was mit viel "dadangodongodong, fujifuji und sososososo" selbst wieder seltsam schön ist.

Mezzosopranistin Koppelstetter kann auch Steno, Pianistin Ohta kann in Bambusstämme hineinlauschen, auf bunten Eimern trommeln, über die Klang-Membran im Schädel beim Japanischsprechen philosophieren und Essstäbchen die prachtvolle Treppe hinabwerfen, so dass zwei einander wesensfremde Dinge aus Holz sich als Raumsound verbrüdern. Geiersberger ist die Meisterin des raschen Wechsels zwischen literarischer Sinn- und Klangmalerei und dem privaten Ton. Und alle drei können besser Origami-Kraniche falten als die Zuschauer. Man lernt viel über Schriftbilder und den reinen Klang an diesem Abend. Über nie wahrgenommene Zirplaute in der deutschen Sprache und wie fremd alpenländische Musik klingen kann. Das Team lehrt einen all das eher durch die eigene Begeisterung als intellektuell. Wie schön, so etwas in einer Schule erleben zu dürfen!

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Quelle:
SZ vom 23.03.2016
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