Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Übliches Schema

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Thomas Schreckenbergers neues Programm "Hirn für alle"

Von Thomas Becker, München

Keine halbe Stunde ist rum, da entfährt es dem Nachbarn: "Ich wusste, dass das jetzt kommt. Das war so klar." Er ist nicht der Einzige in der Lach- und Schießgesellschaft, der die Witz-Schematik von Thomas Schreckenberger flott dechiffriert hat. Schade, schließlich will man sich im Kabarett überraschen lassen und nicht die Pointe mitsprechen können. Der Heidelberger, der ein bisschen wie Oli Kahn klingt, macht seit 16 Jahren Kabarett, "Hirn für alle" ist sein sechstes Solo, und man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass es dafür wohl wieder keinen der renommierten Kabarettpreise geben wird. Der Frühfünfziger hat dagegen 17 dieser Auszeichnungen bekommen, die kaum ein Mensch kennt. Ein Best of: Melsunger Scharfe Barte, Herborner Schlumpeweck, Böblinger Mechthild, Heiligenhafener Lachmöwe. Von seinem Humor zeugt der letzte Eintrag: Siegerurkunde Bundesjugendspiele 1983.

Er kann auch richtig gut und böse, fragt sich, ob man Gauland bei Tinder nach links wischen kann, erzählt, dass Frauke Petry schauen muss, dass aus ihren Kindern was Rechtes wird, schimpft Andreas Scheuer als das Enddarmfurunkel der Autoindustrie und fragt sich, warum wir kein Tempolimit haben: "Beim Internet klappt's doch auch!" Doch der erste Teil des Abends geht für eine erwartbare Erörterung der politischen Großwetterlage drauf: Da streicht er den üblichen Verdächtigen von Trump über Merkel bis Merz eins auf, setzt Glyphosat mit "Bauer sucht Frau" und Peter Altmaier mit Pottwalen in Verbindung und lässt auch so manchen Herrenwitz nicht aus. Und über das Saarland und Oettingers Englisch sind alle Scherze schon gemacht. Nach der Pause wird es grundsätzlicher, aber nur zuweilen besser: Internet-Shopping, Gender-Marketing, Klimawandel - daraus hätte man Honig saugen können, doch vieles gerät plump und platt.

Erst mit der Zugabe, einer Nummer aus dem letzten Programm, überrascht er alle: Klaus Kinski schlüpft in die Merkel - große Bühnenkunst.

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Quelle:
SZ vom 21.03.2019
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