Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Textproblem

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Das MKO mit Helmut Lachenmann und Georg Nigl

Von Klaus Kalchschmid, München

Vielleicht hätte das Münchener Kammerorchester unter Clemens Schuldt sein viertes Konzert zum Spielzeit-Thema "Wärme" im Prinzregententheater mit Helmut Lachenmanns "'... zwei Gefühle ...', Musik mit Leonardo für Sprecher und Ensemble" beginnen sollen. Oder aber das komplexe Werk vor den höchst energetischen, prägnant musizierten Auszügen aus Ludwig van Beethovens Ballett "Die Geschöpfe des Prometheus" platzieren sollen. Der Bariton Georg Nigl, der den so unterschiedlichen Tonfällen in Hanns Eislers "Ernsten Gesängen" mit Streichorchester nach Hölderlin, Berthold Viertel oder Stephan Hermlin so wunderbar gerecht wurde, wäre dabei auch der Richtige gewesen, um der rhythmisch überaus heiklen Text-Verwendung in der Lachenmann-"Musik" eigenes Gepräge zu geben.

Wenn sich dafür aber der 84 Jahre alte Komponist selbst anbietet, wie er das schon öfters getan hat, dann sagt man natürlich nicht nein. Doch während der in ganze oder gar halbe Silben zersplitterte und verdrehte, in seine Bestandteile zerlegte, ebenso poetische wie gewichtige Text von Leonardo da Vinci angesichts Stromboli und Ätna dankenswerterweise im Programm abgedruckt war, wurde er an keiner Stelle in einer "Musik mit Leonardo" hörbar, sondern eher in einer "gegen Leonardo". Das liegt schon an der Komposition, die im Instrumentalen fasziniert, den gehaltvollen Text aber zum Geräusch degradiert und diesmal auch den Komponisten als Sprecher grandios scheitern ließ.

Da hatte das Konzert doch höchst verbindlich begonnen mit Richard Wagners "Siegfried-Idyll". Eisler hätte in seinen teilweise spätromantischen Momenten fast nahtlos daran anschließen können, obwohl andererseits die Musik zu den Texten aus dem 20. Jahrhunderts auch danach klang. Georg Nigl aber vermochte virtuos und mit einer geradezu zärtlichen Verbindlichkeit zwischen diesen Welten zu vermitteln; und man verstand jedes Wort, obwohl durchweg expressiv gesungen wurde.

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Quelle:
SZ vom 25.01.2020
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