Hans-Henning Ginzel ist sichtbar aufgeregt. Er steht am Mikrofon im opulenten Festsaal des Künstlerhauses und redet von "großer Ehre". Ginzel, 30 Jahre alt, ist Absolvent der Hochschule für Musik und Theater, sozusagen frischgebackener Komponist mit Bestnote, bereits mehrfach ausgezeichnet. Zudem ist er ein vielfach gelobter Cellist. Um 125 Jahre Münchner Philharmoniker zu ehren, hat er ein "Geburtstagsständchen" komponiert, ein Auftragswerk für die Reihe der Kammerkonzerte des Orchesters, das am Sonntagvormittag unter dem Namen "Ich wandle wie ..." uraufgeführt wurde.
Ginzel bleibt auf der Bühne, halb versteckt hinter einer Säule. Aber das hat Sinn: Vor jedem seiner fünf kurzen Musikstücke liest Ginzel jeweils ein kurzes Gedicht vor. Es sind Fragmente aus dem Werk des impressionistischen Dichters Arno Holz, die der junge Komponist selbst nach dem strengen Muster japanischer Haikus zusammengestellt hat. Genauso konzeptionell ist er auch bei der Musik vorgegangen. Die fünf Stücke für Streichquartett bestehen jeweils aus 17 Takten, angelehnt an die Haiku-Tradition, die Worte eines Gedichts nach Silben anzuordnen, also fünf, sieben, fünf. Herausgekommen sind feine Stimmungshäppchen von kurzer Dauer, experimentelle Formeln, die auf eindeutige Melodien verzichten, dafür rhythmisch komplex und technisch sehr ausdifferenziert sind, mal wütend, mal nachdenklich, immer anregend.
Die Musiker des Philharmoniker-Streichquartetts beweisen eine große Versiertheit. Zuvor spielten sie hingebungsvoll das Streichquartett G-Dur von Erwin Schulhoff. Dieser schrieb das unheimlich vielschichtige, subtil aufrüttelnde und zwischen Harmonie und Bruch pendelnde Stück im Jahr 1918, nach seiner Rückkehr aus der österreichischen Armee. Es ist die leise Klage einer Seele, die Halt sucht im Gegebenen, aber nicht umhin kann, es zu hinterfragen, zu verspotten. Dieser Komplexität spüren die Streicher genüsslich und meisterlich nach.