Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Südseeschönheit

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Das Rundfunkorchester spielt "L'île du rêve" von Reynaldo Hahn

Von Egbert Tholl, München

Die Zusammenarbeit zwischen dem Münchner Rundfunkorchester und dem "Palazetto Bru Zane" ist eine der schönsten Kooperationen in der Klassikwelt. Bru Zane gräbt französische Musik des 19. Jahrhunderts aus, fast völlig vergessene Meisterwerke, das Rundfunkorchester bringt diese für die Stiftung zur Aufführung und spielt sie auf CD ein. Das Rundfunkorchester kann das, weil es fast alles kann und gerade im Opernbereich einen legendären Ruf hat. Wie toll die Zusammenarbeit sein kann, konnte man nun wieder im Prinzregententheater erleben.

Die Oper "L'île du rêve" von Reynaldo Hahn kennt man noch weniger als deren Komponisten, selbst in Frankreich. Ihre Uraufführung hatte sie 1898 an der Opéra-Comique in Paris, Hahn, späterer König der Pariser Salons, war noch nicht einmal 20 Jahre alt, als er sie ein paar Jahre zuvor vollendet hatte. Dies dürfte eine der konfliktfreiesten Opern des 19. Jahrhunderts sein, dramaturgisch eine Art "Butterfly"-light: französischer Offizier verliebt sich auf Tahiti in Südseeschönheit, sie in ihn, ein Jahr Glück, Offizier muss zurück nach Frankreich, Mädchen bleibt und kümmert sich um Papa. Muss man das hören?

Unbedingt! Denn Hahn kann betörend schöne Musik schreiben. Die Oper ist viel zu kompakt, als dass das Fehlen von Spannung auffallen würde, dafür lebt Hahn radikal einen Exotismus aus, schreibt polynesischer Gesänge hinein, in der Aufführung gesungen vom "Le Concert Spirituel" - ein Erlebnis. Seltsam Sakrales wabert herum, als verehrte man auf Tahiti örtliche Götter mit katholischen Messen, es gibt trockenen Humor und fabelhafte Arien.

Hervé Niquet und das Rundfunkorchester liefern ein Musterbeispiel leuchtender Transparenz, die Solisten sind erlesen. Vor allem der Tenor Cyrille Dubois mit reiner, lyrischer Poesie und die hinreißende Hélène Guilmette sind einfach umwerfend. Im ersten Teil gibt es Orchesterlieder von Hahn und Zeitgenossen, die dann doch zeigen, dass ein Jules Massenet über noch mehr Raffinement verfügte. Aber Ideen hatte Hahn tolle!

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Quelle:
SZ vom 28.01.2020
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