Kurzkritik:Streuner und Zweifler

Dirk von Lowtzow liest und singt im Volkstheater

Von Michael Zirnstein

Angenommen, es gäbe ein "Date mit Dirk". Also nicht jenes von Dirk von Lowtzow mit sich selbst im "vom Tau liebkosten Wiesengrund", das er so narzisstisch besingt. Sondern eines von Fan zu Rockstar. Wen würde man erwarten? Einen Bohemien, mit 47 immer noch "Teil einer Jugendbewegung", der mit wärmender Grabesstimme in Rätseln spricht, nörgelt und aus seinen Beiträgen für "Texte zur Kunst" rezitiert. Zumindest so lange, bis er ein Plüschschweinchen auspackt, damit spielt wie ein Dreijähriger und sich an den Überhol-Lauten des Trickfilm-Roadrunners erfreut: "Meep meep!" So wie bei jenem intimen Abend im Volkstheater.

Dirk von Lowtzow hat ein Buch geschrieben. Endlich. Andere Kollegen waren da viel früher dran als er, der Belesene. Es wurde die Enzyklopädie "Aus dem Dachsbau". In Anekdoten und Betrachtungen versucht er sich und dem Leser zu erklären, wie er wurde, wer er ist: Sänger der erfolgreichsten Diskursrockband Tocotronic, aber das eben nur am Rande. Ob er A wie Abba vorliest oder Z wie Zeit - immer spricht da der Streuner und (Selbst-)Zweifler, der im Skilager ("der Tiefpunkt meiner Jugend") umhüllt vom "Geruch eines Eliteinternats" und "verdruckster Sexualität" ins Bett pinkelt, der mit sich selbst Interviews führt und mit Tieren und imaginären Freunden spricht, der seinen Kinderfreund wegen eines Hirntumors verliert. Das kann wegen der gestelzten Sprache und des Name-Droppings wichtigtuerisch rüberkommen, ist aber meist mohnsaftig surreal wie bei E.T.A. Hoffmann oder ulkig-peinlich wie bei Heinz Strunks "Fleckenteufel".

Lowtzow kann so vieles sein, wie man auch bei den fein mit der Klampfe begleiteten Liedern von sich und anderen hört: Da ist er mal Bryan Ferry, mal Neil Young, mal der schwule Matrose. Was darf's denn danach noch sein, bitteschön? Tocotronic auf Unplugged-Tour, von Lowtzows erster Roman und gerne ein Date mit dem weisen Kindskopf.

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