Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Störrisch jung

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Der Gitarrist John Scofield im Night Club des Bayerischen Hofs

Von Ralf Dombrowski, München

Am Vortag Zagreb, dann München, weiter nach Amsterdam, Stockholm, Bergen. John Scofield hat zu tun. Und er lässt es sich nicht nehmen, obwohl ihm von Presse und Adepten längst das Etikett "legendär" angeheftet wurde, weiterhin auf kleinen Bühnen zu spielen. Denn er liebt die Wechselwirkung der Impulse. Seine Fans verehren ihn und sorgen dafür, dass Orte wie der Night Club des Bayerischen Hofs ordentlich gefüllt sind. Er revanchiert sich mit Programmen, die es zumindest im Konzept mit der Komplexität nicht übertreiben.

Aktuell gilt sein Interesse der Country-Music, der nordamerikanischen Wurzelsuche nach den Urgründen der heimischen Musikalität. Das ist ein bisschen Trend, wird aber von Scofield und seinem Quartett eigenwillig kommentiert. So verwandelt sich etwa Dolly Partons "Jolene" in ein im hypnotischen Coltrane-Stil dahinfließendes Energiegemenge, Kenny Rogers' "The Gambler" ist nach der Transformation ins moderne Jazz-Idiom kaum noch wiederzukennen, und eine Hymne wie "Warfaring Stranger" entwickelt sich zum dunkel traurigen Moll-Blues. Schließlich geht es nicht um kritiklose Verbeugung vor der Kunst der Schlichtheit, sondern um "Country For Old Men", um Musik, deren Geschichte eine Vielzahl zum Teil sich widersprechender Assoziationen zulässt.

John Scofield selbst feiert mit seinem bewährt störrischen Gitarrensound die Themen und zerhäckselt solistisch ebenso zuverlässig den lauernden Frohsinn der Lieder. Der Organist und Pianist Sullivan Fortner folgt ihm auf dem Pfad, fügt näselnde Hammond-Töne in Gospel-Manier, aber ebenso harmonische Dekonstruktionen weitab der volksmusikalischen Klanglichkeit hinzu. Vincente Archer erweist sich als bedächtig solierender, aber sicher sekundierender Bassist, der Schlagzeuger Bill Stewart wiederum gibt als langjähriger Scofield-Kumpan dem Projekt die passende, ins Blues-Rockige und Swingende mündenden Kraftbasis. Der Meister an der E-Gitarre mag sich selbst, ein wenig kokett, schon zu den Old Men zählen. Auf der Bühne im Kreise seiner Mitspieler wirkt er so jung wie immer.

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Quelle:
SZ vom 30.03.2017
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