Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Spinnerte Mädels

"Everyday Life With Monster Girls" im Lovelace

Von Petra Hallmayer

Zum Auftakt liest Lena Gorelik aus ihrem neuen Roman vor, einer Überschreibung der japanischen Anime-Reihe "Monmusu". In diesem nimmt ein Student außerirdische Flüchtlinge als Untermieterinnen auf. Bald schon erwachen die Figuren zum Leben: der grünbemützte dreifache Jonas (Jonas Stenzel, Jonathan Witte-Fink, Jörg Besser), die tierisch-menschlichen Mischwesen und Mrs. Smith (Olaf Becker) von der Interarten-Aufnahmebehörde, die die Integration der Monster anstrebt. Das, meint sie, gehe nur mit strengen Regeln. Sex etwa ist verboten, sonst droht die Abschiebung.

In ihrem ersten Theatertext "Everyday Life With Monster Girls", in dem die Autorin die Autorin mimt, treibt Gorelik ein bissig ironisches Spiel mit scheinliberalen Floskeln, der Disziplinierung des Fremden, Anpassungszwängen und überhitzten Geschlechterdebatten. Judith Huber und Angelika Krautzberger haben daraus im Hotel Lovelace eine ziemlich abgedrehte Performance in einer fantastischen Location gemacht. Die spinnen, die Mädels, und das ist schön so. In Gruppen werden wir durch diverse Räume geführt. Wir erleben die Pferdefrau (Krautzberger) und Goreliks entzückende Kinder beim Picknick, hören von Jonas' Faible für Mädchenkleider und sehen ihn mit der von Nacktauftritten träumenden alten (Judith Huber) und der faszinierend biegsamen jungen Schlange (Johanna Marti) im Bett lümmeln.

Das Zusammenleben gelingt nicht regelkonform. Die Pferdefrau beißt unbesonnen zu, und das Liebesverbot funktioniert nicht. Beim interplanetaren Hochzeitsfest stürmt Mrs. Smith herein. Die Autorin wird der Solidarisierung mit dem Patriarchat bezichtigt und streikt. Per Video von ihrem Alter Ego begleitet, gesteht Gorelik ihre Selbstzweifel und Verunsicherung durch an kollektive Textbasteleien gewöhnte Theatermacherinnen. Am Ende des sehr liebenswert skurrilen Abends dürfen wir die Hochzeitstorte verspeisen. Die armen Monsterfrauen aber werden knallhart abgeschoben.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2018
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