Kurzkritik:Singendes Orchester

András Schiff, Iván Fischer und die Budapester

Von Egbert Tholl

Es gibt doch noch Überraschungen im Klassikbetrieb. Diese hier ist fabelhaft. Das Budapest Festival Orchestra spielt in der Philharmonie, Iván Fischer dirigiert und auf dem Programmzettel stehen Beethovens Klavierkonzerte 2 und 3 mit András Schiff als Solist sowie kleine Stücke von Antonín Dvořák, erst einmal symphonische Bearbeitungen von Klavierstücken. Die "Legende" klingt dann auch licht und freundlich, bleibt aber ein bisschen naiv, wie nach der Pause die "Amerikanische Suite", in der allerdings viel tänzerischer Furor enthalten ist, wie auch beim "Slawischen Tanz Nr. 7", dort eh klar. Das sind Stücke zum unangestrengten Vergnügen, von den Budapestern mit schönem, klaren Silberglanz dargeboten.

Das zweite dieser kleinen Stücke aber ist der "Abendsegen" aus den "Vier Chorliedern". Orchesterbearbeitung steht da. Das stimmt, kommt aber ganz anders als erwartet. Die Musiker legen ihre Instrumente beiseite, stehen auf, formieren sich zu Stimmgruppen, wer vorher Bratsche spielte, steht nun auf einmal neben der Flöte. Und sie fangen an zu singen. A-capella, glockenrein, mit herrlichen, alles überstrahlenden Sopranstimmen. Gegen die haben die Herren wenig Chance, das macht gar nichts. Kaum haben sie gesungen, setzen sie sich wieder hin, als wäre nichts gewesen. Völlige Verblüffung. Als Zugabe werden sie dann noch Haydns aberwitzigen Scherz "Der Greis" singen, auf Deutsch, begleitet von András Schiff am Klavier.

Begeisternde Botschafter der Freude an der Musik sind sie alle. Schiff strahlt das reine Glück aus, wenn er Beethoven spielen darf, einmal schnippt er die Orchesterstimme mit den Fingern mit. Das Zweite geht er mit einer delikaten Poesie der Genauigkeit an, braucht nur Nuancen dynamischer Schattierungen für die Freiheit der musikalischen Gedanken. Im Dritten scheint er stärker spontanen Eingebungen zu folgen, als wolle er etwas ausprobieren, sein Spiel wird risikoreicher, die Solokadenz ist reine Pracht, der Gesamtklang oft ein Zaubergespinst.

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